Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Pluto
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#331 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von Pluto » Fr 8. Nov 2013, 01:25

JackSparrow hat geschrieben:Die Frage war: Warum lässt Gott Leid zu?

Meine Hypothese lautete: Des einen Freud ist des anderen Leid.
Wäre diese Hypothese zutreffend, würde folgendes gelten:
Ich bin mit den Wahrscheinlichkeisrechnungen vertraut die du da zeigst. Aber die Frage ist, ob es immer so ist im Leben.

Was ist, wenn andere sich verletzen oder krank werden? Wer freut sich darüber?
Und was ist mit Naturkatastrophen? Leiden da nicht alle Menschen gleichermaßen?
Wer es lustig oder gerecht findet, wenn anderen Menschen Unheil widerfährt, ist in meinen Augen psychisch angeschlagen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Zeus
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#332 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von Zeus » Fr 8. Nov 2013, 01:42

JackSparrow hat geschrieben:Die Frage war: Warum lässt Gott Leid zu?

Meine Hypothese lautete: Des einen Freud ist des anderen Leid.

Wäre diese Hypothese zutreffend, würde folgendes gelten:

1) Die Wahrscheinlichkeit, entweder Freude oder Leid zu erfahren, beträgt genau 50 %.
2) Wenn Gott sich einmalig entscheiden müsste, welche der beiden Parteien Freude empfinden darf, dann wäre er ungerecht, da er dann die andere Partei benachteiligen würde.
3) Wenn Gott sich aber unendlich oft entscheiden kann, dann ist er gerecht, da dann statistisch betrachtet jede der beiden Parteien etwa gleich häufig Freude empfinden würde.

Und wenn man annimmt, dass es Gott gar nicht gibt, käme man mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu dem Ergebnis #3.

Gruß
Zeus
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Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

barbara
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#333 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von barbara » Fr 8. Nov 2013, 06:51

Pluto hat geschrieben:Ich bin mit den Wahrscheinlichkeisrechnungen vertraut die du da zeigst. Aber die Frage ist, ob es immer so ist im Leben.

Das ist immer so ein bisschen das Problem, wenn Sprichwörter mathematisch aufbereitet werden, mit dem Leben haben sie dann sehr oft nicht mehr viel zu tun. :angel:

neben "des einen Freud ist des andern Leid" würde sich noch anbieten "geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freud ist doppelte Freud", was ich deutlich lebensnäher finde.

Was auch darauf hindeutet, dass es sehr wohl auch an den Menschen liegt, wie viel Leid es auf der Welt gibt, nicht nur an Gott.

gruss, barbara

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sven23
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#334 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von sven23 » Fr 8. Nov 2013, 18:34

Auch individuelles Leid kann unermeßlich großes Leid bedeuten. Der Papst empfing einen Mann, der an Neurofibromatose leidet und spendete ihm Trost.
Die Krankheit wird durch einen genetischen Defekt verursacht. Man kann niemanden dafür verantwortlich machen.
Quelle

Wo ist hier die Rolle Gottes? Ist er Verursacher (weil er es so gefügt hat)?
Ist er nur Zuschauer? Könnte er helfen und wenn ja, warum tut er es nicht?
Warum läßt Gott so viel Leid zu?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

JackSparrow
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#335 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von JackSparrow » Fr 8. Nov 2013, 23:08

Würde Gott die Naturgesetze außer Kraft setzen, um Leid zu verhindern, hätten wir genau das gleiche Problem wie vorher - nur andersrum. Dann müsste er sich nämlich entscheiden, zu wessen Gunsten er die Situation ausgehen lässt, was wiederum ungerecht wäre gegenüber demjenigen, für den die Situation negativ ausgeht.

Also sind fest installierte Naturgesetze - das heißt eine 50%-Zufallsverteilung - statistisch betrachtet immer noch die gerechteste Lösung.

closs
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#336 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von closs » Sa 9. Nov 2013, 00:18

sven23 hat geschrieben:Warum läßt Gott so viel Leid zu?
Hier ist immer daran zu erinnern, dass Leid immer individuell ist. - Man kann von draußen nicht reingucken - ein Beispiel:

Vor einiger Zeit kam ein Film über ein Kind, das als Baby furchtbare Verbrennungen erlitten hatte (sogar die Gliedmaßen waren zum Teil regelrecht weggebrannt). Es hat sich gezeigt, dass dieses Kind etwas wie ein persönliches Glück entwickelte - Sonderschuhe, mit es es laufen lernte - die neue Perücke, dass es "schön" aussah, etc. - Die Frage, ob ein gesundes oder dieses Mädchen ein glücklicheres Leben führte, war nicht beantwortbar.

Natürlich öffnen solche Gedanken furchtbare Einfallstore für Gedanken wie: "Macht ja nix, wenn jemand halber verkohlt - ist ja trotzdem glücklich". - Das geht selbstverständlich auch nicht. - Trotzdem sollte man im Auge behalten, dass Fremdsicht und Eigensicht in solchen intimen Dingen wie das Leid völlig unterschiedlich sein können.

Vielleicht könnte man auch die Frage stellen: "Wer führt ein reicheres Leben? - Das Luxuskind eines Milliardärs oder dieses verbrannte Kind?". - Wir wissen es nicht. - Es gibt eine Intimität zwischen Gott und Mensch, in die keiner reinschauen kann.

Pluto
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#337 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von Pluto » Sa 9. Nov 2013, 00:30

Mit diesem verbrannten Kind vielleicht nicht, aber ich kann dir versichern, dass es millionen Menschen auf der Welt gibt, denen es schlecht geht, weil sie win Leben in Armut und Hunger ertragen müssen.
Jede Minute sterben irgendwo auf der Welt rund 20 - 30 Kinder einen elenden Hungertod.

Warum lässt ein barmherziger Gott das zu?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#338 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von closs » Sa 9. Nov 2013, 00:50

Pluto hat geschrieben:Warum lässt ein barmherziger Gott das zu?
Aus meiner Sicht liegt der Schlüssel zur Beantwortung darin, dass jeder Mensch nur einmal stirbt - dass es also qualitativ egal ist, ob EIN Mensch oder eine Million Menschen verhungert. Das Leid ist dasselbe (man kann Leid nicht addieren, weil es dem EINEN Betroffenen nichts nützt).

Die Lösung wäre also, dass es überhaupt kein Leid gibt. Es dürfte dann keinen einzigen Hungertoten oder Unfall-Verbrannten oder Behindert-Geborenen oder Erschossenen geben. -Sobald es EINER ist, ist es für den Betroffenen egal, ob er der Einzige ist oder mit ihm noch Millionen sind. Man kann Leid nicht quantifizieren. - Es dürfte übrigens dann auch keinen Menschen geben, der einen anderen verliert - denn das ist auch Leid.

Pluto hat geschrieben:Warum lässt ein barmherziger Gott das zu?
Es gibt ein durchgehendes Motiv in der Bibel, wonach der Mensch nur durch "Not" (= Leid) zur Wahrheit hin-gewendet werden kann - weil der Mensch ohne Not sich selbst zum Zentrum macht - ihm ist dann "nichts ... zu steil" (Gen. 11,6) - er macht sich dann zum Maß. - Und genau das ist christlich gesehen der falsche Weg: „Wenn … Dein gesamter Besitz sich vermehrt, … denk nicht bei Dir: Ich habe mir diesen Reichtum aus eigener und mit eigener Hand erworben“ (Deut. 8,13ff). Der Mensch soll dagegen "gebeugt" werden, "zu erkennen, was in Deinem Herzen ist“ (Deut. 8,2).

"Beugen" wird leider oft mit "demütigen" übersetzt, soll aber meinen, dass der Mensch nicht der eigenen "Steilheit" folgt, sondern seinen Kopf zum Inneren hin senkt. - Da in etwa kann man die heilsgeschichtliche Rolle des Leids ansiedeln.

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#339 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von Pluto » Sa 9. Nov 2013, 00:56

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum lässt ein barmherziger Gott das zu?
Es gibt ein durchgehendes Motiv in der Bibel, wonach der Mensch nur durch "Not" (= Leid) zur Wahrheit hin-gewendet werden kann - weil der Mensch ohne Not sich selbst zum Zentrum macht - ihm ist dann "nichts ... zu steil" (Gen. 11,6) - er macht sich dann zum Maß. -
Aber wenn der Mensch Geschöpf Gottes ist und Gott barmehrzig ist, warum hat Gott den Mensch dann so geschaffen? Warum hat er nicht dafür sorgen können, dass der Mesch nicht leidet?

Irgendwie beißen sich hier drei Eigenschaften die wir als göttlich erkennen: Barmherzigkeit, Allmacht und Allwissensheit.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#340 Re: Warum läßt Gott so viel Leid zu?

Beitrag von closs » Sa 9. Nov 2013, 02:13

Pluto hat geschrieben:Warum hat er nicht dafür sorgen können, dass der Mesch nicht leidet?
Tja - wenn ich das wüsste. Wir reden ja deshalb von Leid, weil es es gibt.

Da es nun mal da ist, muss man es erklären. Und eine geistig schlüssige Erklärung ist, dass der Mensch ohne Leid sich nicht von sich selber als Maßstab lösen kann. -

Die Theodizeefrage ist deshalb so schwer, weil sie zwar dialektisch erklärbar, aber nicht lösbar ist. - Die Lösung der Theodizeefrage ist nur möglich in der Intimität zwischen Mensch und Gott - oder wie es der Volksmund sagt: "Im Schützengraben zweifelt keiner an der Existenz Gottes".

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