Alles Teufelszeug? VIII

closs
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#841 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » So 21. Jan 2018, 00:46

Münek hat geschrieben:Hermeneutik beruht auf Setzung, die Du uneingestandenermaßen gern als Zauberstab verwendest.
Hermeneutik ist kein Zauberstab, sondern ist Grundlage von folgenden Interpretationen.

Münek hat geschrieben:Was setzt die HKM als wissenschaftliche Methode, um zu nicht ergebnisoffenen Resultaten zu kommen ?
"Hermeneutik" und "Ergebnisoffenheit" beißen sich nicht, WENN man erkannt hat, dass es NIE absolute Ergebnisoffenheit gibt, sondern nur Ergebnisoffenheit innerhalb der jeweiligen Hermeneutik.

"Ergebnisoffen" aus spiritueller Sicht ist, dass man in der Tat nicht vor Beginn seiner Studien weiß, was herauskommt - allerdings INNERHALB der spirituellen Setzung, dass es eine geistige Welt als Entität gibt. - "Ergebnisoffen" aus HKM-Sicht ist, dass man ebenfalls vor Beginn seiner Studien nicht wei0, was herauskommt - allerdings INNERHALB der methodischen Setzungen, die Göttliches zwar nicht ausschließen, aber de facto nur so interpretieren können, als sei Jesus nichts als ein Mensch.

Es kommt immer wieder auf dasselbe raus:
Falls (historische Möglichkeit 1) Jesus göttlich war, ist seine Naherwartung (in Deinem Verständnis) mehr als unwahrscheinlich. - Falls (historisch Möglichkeit 2) Jesus nur Mensch war, ist seine Naherwartung (in Deinem Verständnis) mehr als wahrscheinlich. - BEIDE Ergebnisse sind ergebnisoffen erzielt, aber eben unter der jeweiligen Hermeneutik.

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Münek
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#842 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » So 21. Jan 2018, 03:17

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Hermeneutik beruht auf Setzung, die Du uneingestandenermaßen gern als Zauberstab verwendest.
Hermeneutik ist kein Zauberstab, sondern ist Grundlage von folgenden Interpretationen.
Nee nee - nicht die Hermeneutik, sondern SETZUNGEN sind Dein Zauberstab. Darauf baut Deine Hermeneutik auf.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was setzt die HKM als wissenschaftliche Methode, um zu nicht ergebnisoffenen Resultaten zu kommen ?
"Hermeneutik" und "Ergebnisoffenheit" beißen sich nicht.
Nee nee - ich kann nicht per Setzung Ergebnisoffenheit ausschließen - und dann anschließend behaupten, innerhalb meiner auf dieser Setzung basierenden Hermeneutik bin ich aber ergebnisoffen. Das ist doch albern.

Im Übrigen bist Du meiner Frage ausgewichen.

closs hat geschrieben:WENN man erkannt hat, dass es NIE absolute Ergebnisoffenheit gibt, sondern nur Ergebnisoffenheit innerhalb der jeweiligen Hermeneutik.
Bleiben wir doch bei der SETZUNG - denn diese ist schließlich die Grundlage der Hermeneutik. Wer etwas setzt, hat es NÖTIG. Die HKM befindet sich nicht in der NOTLAGE, irgendetwas "setzen" zu müssen.

Wissenschaft forscht immer setzungsfrei ergebnisoffen. Ihre Ergebnisse sind stets hinterfragbar. Sie postuliert keine absoluten Wahrheiten.


closs hat geschrieben:"Ergebnisoffen" aus spiritueller Sicht ist, dass man in der Tat nicht vor Beginn seiner Studien weiß, was herauskommt.
Das glaubst Du doch selbst nicht. Was "herauskommt", das steht doch schon seit vielen Jahrhunderten in Form kirchlicher Glaubensdogmen fest. Da kommen doch keine neuen Erkenntnisse.

closs hat geschrieben:"Ergebnisoffen" aus HKM-Sicht ist, dass man ebenfalls vor Beginn seiner Studien nicht wei0, was herauskommt - allerdings INNERHALB der methodischen Setzungen, die Göttliches zwar nicht ausschließen, aber de facto nur so interpretieren können, als sei Jesus nichts als ein Mensch.
Das ist richtig. Wie sollte es auch anders sein? Entscheidend ist, dass die HKM zur Göttlichkeit Jesu keine Stellung - weder pro noch contra - bezieht, sondern einen agnostischen Standpunkt einnimmt. Das kann man ihr nicht als "Setzung" unterjubeln.

closs hat geschrieben:Es kommt immer wieder auf dasselbe raus: Falls (historische Möglichkeit 1) Jesus göttlich war, ist seine Naherwartung (in Deinem Verständnis) mehr als unwahrscheinlich.
Nein - Jesus hat dem Volk schließlich nichts anderes als die Nähe der Gottesherrschaft verkündigt. Er hat dem Volk weder seinen nahe bevorstehenden Sühnetod noch seine Auferstehung verkündigt - was auch nichts mit der unmittelbar bevorstehenden Gottesherrschaft
auf Erden zu tun gehabt hätte. Bekanntlich hat Gott seine als nah angekündigte Herrschaft bis auf den heutigen Tag NICHT auf Erden aufgerichtet.


Das Reich Gottes, dessen persönliches Erleben Jesus einigen seiner Jünger zugesichert hatte, kam nicht. Da beißt keine Maus einen Faden ab.

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sven23
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#843 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 21. Jan 2018, 06:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das liegt weniger an der Hermeneutik als an den Textquellen, die man wissenschaftlich untersucht. Wer diesen wissenschaftlichen Anspruch nicht hat, kommt natürlich zu anderen Ergebnisssen.
Falsch. - Die Textquellen, auf denen die unterschiedlichen hermeneutiken aufbauen, sind identisch.
Natürlich sind sie gleich, aber mit falscher Hermeneutik kommt man zu falschen Ergebnissen. Siehe Kurzzeitkreationismus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ähm, die Glaubenshermeneutik kultiviert doch gerade den von Mythen und Legenden überwucherten Jesus. :roll:
Nein - sie ist ausschließlich damit beschäftigt, dem wirklichen Jesus auf die Spur zu kommen. - Was denn sonst?
Nein, sie kultiviert den von Legenden und Mythen überwucherten Jesus. Deshalb gibt es doch die Diskrepanz zwischen historischem Jesus und kerygmatischen Christus. Deshalb spricht doch Lindemann davon, dass der historische Jesus dem Glauben im Weg ist. (Andreas formulierte es ähnlich).

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der man sich nur über die Textquellen mittels der historisch-kritischen Methode nähern kann. Glaubensbekenntnisse haben hier nichts verloren.
Falsch - ohne "Glaubensbekenntnisse" alias "Vorannahmen" alias "Setzungen" alias "Hermeneutik" kann man erst gar nicht beginnen, sich zu nähern. - Das gilt für HKM genauso wie für die Fundamental-Theologie.
Du verwechselst Glaubensbekenntnisse mit dem nicht Vorhandensein einer a-priori Setzung. In der historischen Jesusforschung haben Glaubensbekenntnisse nichts verloren. Sei so gut und begreife das endlich.
Wechsle doch zum Katechismus der RKK, das findest du alles, was dein glaubensdogmatisches Herz begehrt, incl. deiner Forderung nach der Göttlichkeit Jesu. Warum diese Übergriffigkeit in die historische Forschung?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der historische Jesus ist mit Sicherheit näher am "wirklichen" Jesus, als der von Legenden und Mythen überwucherte.
Der historisch-kritisch ermittelte Jesus ist mit großer Wahrscheinlichkeit in vielen geistigen Dingen NICHT der Wirklichkeit Jesu näher als der kerygmatische. - Dass man unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsgrade sieht (Du sprichst sogar von "Sicherheit" :!: ), hat ausschließlich mit der jeweiligen Hermeneutik zu tun - entweder die eine hat recht oder die andere.
In der historischen Forschung kommt man weiter mit wissenschaftlicher Methodik als mit frommem Wunschdenken. Das sollte auch ein closs verstehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung geht davon aus, dass dies nicht in die Irre führt, warum auch? In die Irre führen lediglich spätere Rezeptionen/Verfälschungen und Projektionen.
Natürlich geht die HKM-Forschung davon aus, dass sie richtig liegt - das tut die Fundamental-Theologie ebenfalls.
Die Forschung kann es aber wissenschaftlich begründen, die Fundamentaltheologie benötigt einen Sack voll Glaubensbekenntnisse. Das ist der feine, aber entscheidende Unterschied.

closs hat geschrieben:
Sven hat geschrieben:Das ist nur deinem schlechten Gedächtnis geschuldet, denn es wurde schon oft genug darauf verwiesen, dass man hier nur mit Wahrscheinlichkeiten hantieren kann.
Kackfrech. :lol: - Aber offenbar scheinst Du zu "wissen", dass Deine Wahrscheinlichkeits-Bemessungs-Größe die richtige ist, gell?
Halten wir aber einvernehmlich fest (es lohnt sich): Wissenschaft "weiß" nur system-intern.
Wissenschaft weiß vor allem, dass Wissen immer nur vorläufiges Wissen ist. Es stght immer unter dem Vorbehalt, dass es neue Erkenntnisse geben kann, die zu einer Neubewertung zwingen.

closs hat geschrieben:
Sven hat geschrieben:Da es nur eine Wahrheit geben kann, muss sich ja wohl einer irren.
So ist es. - Merkst Du übrigens, dass Du gerade in den ontischen Modus gewechselt bist?
Nein, ich verweise nur auf die Logik. Eine Aussage kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein. Mal eben die hermeneutische Perspektive wechseln macht aus einer falschen Aussage keine wahre. Siehe Kurzzeitkreationismus.
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sven23
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#844 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 21. Jan 2018, 06:32

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:So etwas hat Ratzinger der HKM in seinem Jesusbuch nie vorgeworfen.
Er hat es anders ausgedrückt - aber Du musst es auch in seiner Feinheit lesen. - Wenn Ratzinger dort schreibt, dass die HKM zur geistigen Öffnung in der Lage ist, dann heißt dies umgekehrt, dass eine HKM, die dies NICHT tut, über rein sachliche Äußerungen hinaus nichts in der Theologie zu melden hat.
Nur sollte man Feinheit nicht mit Eisegese verwechseln.
Closs neigt dazu, Texte eisegetisch in seinem Sinne umzudeuten. Das schafft er sogar bei nicht-biblischen Texten. :lol:

closs hat geschrieben: wobei ich gesehen muss, dass ich "wissen" außerhalb des wissenschaftlichen Kontextes immer noch als "das IST so" verwende. - Nichtsdestoweniger habe ich verstanden, wie man das wissenschafts-theoretisch versteht.
Das Problem: Das scheint außer Dir kaum einer zu wissen!!! - Hier auf dem Forum wird "wissen" fast ausschließlich NICHT system-intern (alias "hermeneutisch"9 verstanden, sondern "ontisch" - als sei ein wissenschaftliches Ergebnis ein "wirkliches" Ergebnis. - Damit mühe auch ich mich sehr ab.
Weil du ein schlechtes Gedächtnis hast und man dir alles 100 mal erklären muss.
Wie oft wurde schon gesagt, dass Wissen immer nur vorläufigen Charakter hat? Wie oft wurde darauf verwiesen, dass Theißen betont: so könnte es auf Basis der Quellen gewesen sein.
Warum stehst du immer wieder mit den gleichen falschen Behauptungen auf der Matte? :roll:


closs hat geschrieben: Bei DEINER Definition von "wissen" akzeptiere ich das - aber das heißt AUCH: "Wissenschaft" in diesem Sinne kann in geistigen Kontexten nur eine periphäre Rolle spielen - diese Kröte muss man dann schlucken.
Völliger Unsinn, dann dürfte es überhaupt keine historische Jesusforschung geben. Diese erfundene Kröte darfst du mal schön selber schlucken.

closs hat geschrieben: Nun versteht sich Fundamental-Theologie ja ebenfalls als "Wissenschaft". - Darf sie innerhalb IHRER Hermeneutik sagen "Ich WEISS, dass Jesus keine Naherwartung hatte, weil ich in MEINER Hermeneutik selbiges 'nachweisen' kann? - Eigentlich doch schon?
So wie der Kuzzeitkreationist mit seiner Hermeneutik "nachweisen" kann, dass die Erde nur 5000 Jahre alt ist. :lol:
Du kapierst es wohl nie. :roll:
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Roland
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#845 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Roland » So 21. Jan 2018, 10:12

sven23 hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Folglich wäre jede Aussage über Jesus, bezüglich seiner Gottheit nicht wissenschaftlich.
Richtig, inhaltlich kann Wissenschaft keine Aussagen zur Göttichkeit machen.
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Denn darüber kann Wissenschaft grundsätzlich nicht entscheiden.
Deshalb läßt sie das auch bleiben.
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Also: Klappe halten, was die Gottheit Jesu angeht. Das muss Wissenschaft offen lassen.
Genau, in der glaubensdogmatischen Abteilung kannst du so viele Glaubensbekenntnisse nachbeten, wie du lustig bist.
D.h. wir haben Texte, die von der ersten bis zur letzten Seite von Jesus als dem Sohn Gottes sprechen, seine Wunder, seine Auferstehung in der Gestalt von Tatsachenberichten beschreiben. Und die wissenschaftliche Textkritik (gehört auch zur HKM) hat das NT, wie es heute vorliegt, als ursprünglichen Text rekonstruiert. Nochmal der Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, Prof. Holger Strutwolf:

Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte.
Was Wissenschaft nun noch tun kann, ist es zu ermitteln, ob die in den Texten genannten Personen, Orte, Zeiträume in den geschichtlichen Kontext passen. Dabei kann meist der Raum der Hypothese nicht überschritten werden, denn wir können die Vergangenheit nunmal nicht in die Gegenwart hereinholen. Und nun endet Wissenschaft, was die Gestalt Jesu angeht.

Münek hat geschrieben: Richtig - die Frage nach der Existenz transzendenter Welten und Wesen und supranaturalistischer göttlicher Eingriffe in die Menschheitsgeschichte lässt die HKM als wissenschaftliche Diziplin ganz bewusst offen. Sie äußert sich dazu weder pro noch
contra.
Täte sie es, handelte sie unwissenschaftlich.

Also ganz einfach. Nur unserem lieben closs will das partout nicht in den Kopf.
Wie oben beschrieben endet Wissenschaft also bei der Rekonstruktion der Texte und beim beleuchten des historischen Kontextes.

Jesus, entgegen der Texte die man auslegt, NUR als in entscheidenden Punkten irrenden Menschen darzustellen, was seine Gottheit negiert, ist also AUCH glaubensdogmatische Abteilung (die atheistische eben) und die dürft ihr natürlich AUCH nachbeten soviel ihr wollt.

Aber es ist nicht mehr Wissenschaft!

Und genauso sieht es auch closs und IHR seid es, die das nicht verstehen.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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#846 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 21. Jan 2018, 11:16

Roland hat geschrieben: D.h. wir haben Texte, die von der ersten bis zur letzten Seite von Jesus als dem Sohn Gottes sprechen, seine Wunder, seine Auferstehung in der Gestalt von Tatsachenberichten beschreiben. Und die wissenschaftliche Textkritik (gehört auch zur HKM) hat das NT, wie es heute vorliegt, als ursprünglichen Text rekonstruiert. Nochmal der Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, Prof. Holger Strutwolf:

Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte.
Was Wissenschaft nun noch tun kann, ist es zu ermitteln, ob die in den Texten genannten Personen, Orte, Zeiträume in den geschichtlichen Kontext passen. Dabei kann meist der Raum der Hypothese nicht überschritten werden, denn wir können die Vergangenheit nunmal nicht in die Gegenwart hereinholen. Und nun endet Wissenschaft, was die Gestalt Jesu angeht.

Großes Missverständnis. Die Papyrifragmente datieren allerfrühestens ab dem Jahr 150 und meist sogar nach der Kanonisierung. Da war das meiste schon gelaufen, das heißt der Legenden- und Mythenbildungsprozess war schon im wesentlichen abgeschlossen, wenn man von den Apokryphen mal absieht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der ... Testaments

Wenn die Theologie davon spricht, dass die Überlieferung im Fluss war, dann ist damit gemeint, dass der Legendbildungsprozess noch voll im Gange war, angefangen von der mündlichen Überlieferung, über die Logienquelle Q bis zu den ersten Schriften von Paulus.
Paulus setzt wohl den eigentlichen Vergottungsprozess in Gang, in dem er die Niederlage des zum Tode verurteilten Wanderpredigers in einen Sieg umdeutet.
Das kommt übrigens in der Geschichte gar nicht so selten vor, dass Gescheiterte im nachhinein zu einem Mythos verklärt werden.
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Andreas
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#847 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Andreas » So 21. Jan 2018, 11:31

Anton B. hat geschrieben:Ansonsten bin ich der Meinung, dass das wissenschaftliche Wissen über den "historischen Jesus" von Münek, Zeuss, Sven usw. einigermaßen korrekt wiedergegeben wird.
Diese Meinung teile ich keineswegs. Zum Teil sind nicht einmal die Grundbegriffe mit denen sie hantieren verstanden.
Ein Zerrbild der Wissenschaft dadurch zu erzeugen, dass man einzelne Sätze aus wissenschaftlichen Büchern aus ihrem Sinnzusammenhang reißt und so den Sinn ins Gegenteil verkehrt, hat mit "wissenschaftlich argumentieren" nichts zu tun.

Dass die Vertreter des "Neuen Atheismus" "die Wissenschaft" auf diese Weise missbrauchen und sich so dienlich machen, belege ich hier ein ums andere Mal exemplarisch am Beispiel von Theißen.

Behauptung: "Konsens der Jesus-Forschung": - WIDERLEGT
In jedem Fachbuch dazu - bei Wolfgang Stegemann, bei Conzelmann/Lindemann und auch bei Theißen - gibt es einen Aufriss der Geschichte der Jesus-Forschung. First Quest, Second Quest, Third Quest mit weiteren Unterstufen und Strömungen. Auch bei Theißen in dem Kapitel aus dem Müneks letztes Zitat (S. 487) stammt geht es zu Beginn des § 16 DER HISTORISCHE JESUS UND DIE ANFÄNGE DER CHRISTOLOGIE wieder darum das aufzuzeigen:
1. Drei Phasen der Erforschung neutestamentlicher Christologie
1.1 Die Diskussion um die Messianität Jesu von Reimarus bis ca. 1900
1.2 Die Synthese von formgeschichtlicher Skepsis und religionsgeschichtlichen Übertragungstheorien seit ca. 1900
1.2.1. Die Entstehung der formgeschichtlichen Skepsis
1.2.2. Die religionsgeschichtlichen Übertragungstheorien
1.2.3. Die Kombination von formgeschichtlicher Skepsis und religionsgeschichtlichen Übertragungstheorien bei R. Bultmann
1.2.4. Die Abwandlung dieser Synthese in der Phase der neuen Frage nach dem historischen Jesus (seit 1953)
1.3 Die Revision der Christologieforschung (seit ca. 1961)
1.3.1. Die Revision der religionsgeschichtlichen Ableitungen
1.3.2. Die Revision der historischer Skepsis
1.3.3 Die Revision des exklusiven Titelverständnisses
1.4. Ein systematischer Überblick über die Hauptprobleme: Historischer Jesus und christologische Titel
... usw.
Theißen Vorwort hat geschrieben:Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit "erzählen kann, sondern über Quellen, Forschungslagen, Methoden und Probleme reflektiert, ist sie ein kompliziertes Geschäft.
"Die Jesus-Forschung" ist tatsächlich ein kompliziertes Geschäft, es ist eine Revision der Revision der Revision und daher ist es unstatthaft das Gerücht eines angeblichen "Konsens der Jesus-Forschung" dadurch in die Welt zu setzen, dass man Zitate aus allen diesen Quests und Revisionen in einen Topf schmeißt - von Reimarus, über Schweitzer, Bultmann usw. bis Theißen - um sich einen angeblichen "Konsens der Jesus-Forschung" zu generieren, der genau zu der eigenen ideologischen Stoßrichtung und den Zielen des "Neuen Atheismus" beispielsweise der Giordano Bruno Stiftung passt.
Das ist Ideologie - Wissenschaft zu entstellen und zu missbrauchen ist kein "wissenschaftliches Argumentieren".

Behauptung: "DIE HKM" bräuchte keine Hermeneutik": - WIDERLEGT
Pluto hat geschrieben:Ich weiß nicht warum du das Wort Hermeneutik im Zusammenhang mit der HKM verwendest. Die HKM arbeitet nicht hermeneutisch sondern wissenschaftlich.
...
Deshalb muss Hermeneutik der wissenschaftlichen Methode weichen.
Münek hat geschrieben:Seriöse Textauslegung hat nichts mit dem Glauben und der Hermeneutik des Exegeten zu tun.
Münek hat geschrieben:Die jesuanische Botschaft an das Volk vom nahen Reich Gottes wird von der HKM durch die Bank für authentisch gehalten. Nicht irgendeine Hermeneutik, sondern die überlieferten Worte Jesu zur unmittelbar bevorstehenden Gottesherrschaft bilden die Grundlage für die wissenschaftliche Jesusforschung (Textinterpretation).
Abgesehen davon, dass "DIE HKM" hier permanent falsch als Wissenschafts-, als Forschungszweig, als Jesus-Forschung oder gar in Bezugnahme auf Theißen oder andere Theologen in Persona "verkauft" wird und nicht als Methode:
Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Seite 1 hat geschrieben:Ziel der Exegese ist das Verstehen des Textes. Dem vorausgehen muss jedoch die Frage, welchen Bedingungen Verstehen grundsätzlich unterworfen ist. Die allgemeine Lehre vom Verstehen heißt Hermeneutik. Die Hermeneutik als Methode ist notwendig, weil Text und Leser einander niemals unmittelbar begegnen, sondern immer durch einen zeitlich oder sachlich bedingten Abstand von einander getrennt sind.
Jeder bis auf einer der 16 Paragraphen in Theißens Standardwerk der wissenschaftlichen Jesus-Forschung "Der historische Jesus" endet mit HERMENEUTISCHE REFLEXION oder mit ZUSAMMENFASSUNG UND HERMENEUTISCHE REFLEXION oder mit HERMENEUTISCHE ÜBERLEGUNGEN oder mit ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG UND HERMENEUTISCHE REFLEXION.
Sinngemäß findet sich das auch in anderen wissenschaftlichen Fachbüchern über Hermeneutik bzw. historisch-kritische Exegese, z.B. bei Uwe Becker, Jean Grondin, Manfred Oemig, Hans-Georg Gadamer usw.

closs
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#848 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » So 21. Jan 2018, 11:56

Münek hat geschrieben:Nee nee - nicht die Hermeneutik, sondern SETZUNGEN sind Dein Zauberstab. Darauf baut Deine Hermeneutik auf.
"Vorannahmen", die nicht korrigiert werden, SIND Setzungen.

Münek hat geschrieben:Wer etwas setzt, hat es NÖTIG. Die HKM befindet sich nicht in der NOTLAGE, irgendetwas "setzen" zu müssen.
DOCH! :lol: - Du merkst es nur nicht.

Münek hat geschrieben: Was "herauskommt", das steht doch schon seit vielen Jahrhunderten in Form kirchlicher Glaubensdogmen fest. Da kommen doch keine neuen Erkenntnisse.
NAtürlich tut es das - allerdings nicht im Setzungsbereich: Ein spirituell orientierter Forscher wird nie zum Ergebnis kommen, dass Jesus nur Mensch war. - Genau so wenig wie ein HKM-ler auf die Idee kommen wird, spirituell zu interpretieren.

Münek hat geschrieben:Entscheidend ist, dass die HKM zur Göttlichkeit Jesu keine Stellung - weder pro noch contra - bezieht, sondern einen agnostischen Standpunkt einnimmt. Das kann man ihr nicht als "Setzung" unterjubeln.
Auf Sachebene nicht, wenn es in Interpretation hineingeht, schon.

Münek hat geschrieben:Das Reich Gottes, dessen persönliches Erleben Jesus einigen seiner Jünger zugesichert hatte, kam nicht. Da beißt keine Maus einen Faden ab.
Doch - längst. - So, wie es Jesus MEINTE, gibt es dieses göttliche Reich seit 2000 Jahren.

sven23 hat geschrieben:mit falscher Hermeneutik kommt man zu falschen Ergebnissen.
Immer wieder: Richtig.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung haben Glaubensbekenntnisse nichts verloren. Sei so gut und begreife das endlich.
DUU begreifst nicht, dass dies nur auf reiner Sachebene gilt. - Sobald interpretiert wird, gibt es ein Glaubensbekenntnis-Pendant selbstverständlich auch in der HKM.

sven23 hat geschrieben:Warum diese Übergriffigkeit in die historische Forschung?
Weil sich auch die HKM der Realität ihres Vorgehens stellen muss (das wird übrigens von redlichen HKM-lern auch getan - das ist nur in ideologischen Kreisen ein Thema).

sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung kommt man weiter mit wissenschaftlicher Methodik als mit frommem Wunschdenken. Das sollte auch ein closs verstehen.
Dann muss es nur noch ein Sven verstehen und schon ist alles gut. :lol:

sven23 hat geschrieben:Die Forschung kann es aber wissenschaftlich begründen, die Fundamentaltheologie benötigt einen Sack voll Glaubensbekenntnisse.
Beide haben hermeneutische Vorannahmen/"Glaubensbekenntnisse"/"Setzungen" - beide arbeiten wissenschaftlich. - Aber sie arbeiten unterschiedlich.

sven23 hat geschrieben:Wissenschaft weiß vor allem, dass Wissen immer nur vorläufiges Wissen ist.
"Vorläufiges Wissen" ist aus Sicht des Normales eine Oxymoron - aber das ist keine Kritik an Dir, sondern an der Sache.

sven23 hat geschrieben: Eine Aussage kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein.
Bei verschiedenen Hermeneutiken geht das schon: Da "weiss" der eine, dass "so" - und der andere, dass "das Gegenteil davon". - ONTISCH hast Du recht: Am Ende ist nur EINES wahr.

sven23 hat geschrieben:Mal eben die hermeneutische Perspektive wechseln macht aus einer falschen Aussage keine wahre.
Das Problem: WAS die ontisch falsche oder wahre Aussage ist, weiß doch niemand!!!

Roland
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#849 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Roland » So 21. Jan 2018, 11:58

sven23 hat geschrieben: Großes Missverständnis. Die Papyrifragmente datieren allerfrühestens ab dem Jahr 150 und meist sogar nach der Kanonisierung. Da war das meiste schon gelaufen, das heißt der Legenden- und Mythenbildungsprozess war schon im wesentlichen abgeschlossen, wenn man von den Apokryphen mal absieht.
Dass da "was gelaufen sei" ist natürlich auch "glaubensdogmatische Abteilung (die atheistische eben)".
Man glaubt einfach, dass alle Texte, die 4 Evangelien und die Briefe des Paulus, Petrus, Johannes, Jakobus, der Hebräerbrief usw. Fälschungen seien. Ausgedachte Legenden. Die Autoren haben sich zusammengesetzt und einen Koplott geschmiedet – oder sie haben was ganz anderes geschrieben und diese Texte wurden dann allesamt innerhalb weniger Jahrzehnte von anderen verfälscht und es wurden, im Stile von Tatsachenberichten, Legenden und Mythen eingearbeitet usw. Die ursprünglichen Texte mussten dann natürlich sorgsam vernichtet werden – jedenfalls ist kein abweichender Text erhalten, der den angeblichen Mythen widersprechen würde.

Nein, tatsächlich wurden schon kurz nach Jesu Tod und Auferstehung um 30 formelhafte Glaubens- und Bekenntnissätze geprägt, die von Jesu Tod und Auferstehung sprechen und überliefert wurden. Habe es dir schon oft gepostet: Paulus zitiert ein solches z.B. in 1. Kor. 15, 3+4 (verfasst etwa um 54 n.Chr.) :

"Ich habe an euch weitergegeben, was ich selbst als Überlieferung empfangen habe, nämlich als erstes und Grundlegendes: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war, und wurde begraben. Er ist am dritten Tag vom Tod auferweckt worden, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war..."

Was er "als Überlieferung empfangen hat", war also bereits ein bekanntes Glaubensbekenntnis zu einem Zeitpunkt, als er bei Damaskus vom Saulus zum Paulus wurde. Und das war etwa im Jahr 32-35 nach Christi Geburt. M.a.W. unmittelbar nach den Geschehnissen waren diese Berichte über Jesus bereits in derselben Gestalt vorhanden, wie sie wenig später niedergeschrieben wurden.

Nun musst du vermuten, dass jemand den Korintherbrief gefälscht und diese Aussage des Paulus eingearbeitet hat. Und dass alles nur ausgedachte Geschichten sind, und für diese Erfindungen z.B. Paulus sich dann in Rom hingerichten ließ, nachdem er zuvor lange Zeit wegen seiner erfundenen Mythen im Gefängnis saß, ist erlaubt!

Es ist aber keine Wissenschaft sondern es sind auch nur Glaubenssätze, die da verbreitet werden.
Und sie tendieren sehr stark in Richtung Verschwörungstheorie.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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#850 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von sven23 » So 21. Jan 2018, 12:33

Roland hat geschrieben: "Ich habe an euch weitergegeben, was ich selbst als Überlieferung empfangen habe, nämlich als erstes und Grundlegendes: Christus ist für unsere Sünden gestorben, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war, und wurde begraben. Er ist am dritten Tag vom Tod auferweckt worden, wie es in den Heiligen Schriften vorausgesagt war..."

Genau, man begründet die Glaubwürdigkeit der Texte mit der angeblichen Glaubwürdigkeit, die innerhalb der Text behauptet wird. Das ist ein Zirkelschluss, der nicht viel besser ist, als der bekannte:

Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.

Wenn man so vorgeht, findet man alle religiösen Texte, Mythen und Legenden zirkelreferent bestätigt. Das gilt für alle Religionen. Deshalb behandelt die Forschung die biblischen Texte so wie jeden anderen antiken Text.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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