Alles Teufelszeug? III

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#881 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Sa 30. Jul 2016, 09:17

2Lena hat geschrieben:Die Religion hatte von jeher die Aufgabe, ein Volk "regierungsfähig" zu machen. Wie will man sonst mit sehr unterschiedlichen Gruppen einheitliches bewirken? Leider gab es auch genügend Beispiele von Negativem.

Die Motivation "für Gott und Vaterland", dürfte wohl allen noch hinlänglich bekannt sein (besonders aus Geschichten vom 1. Weltkrieg).
Geschichtlich entstand dieses patriotische Denken im 19. Jahrhundert aus der Romantik. Vaterland war alles (und Gott natürlich auch).

2Lena hat geschrieben:Die Zeit wurde nicht gut genutzt. Ich bin immer wieder erstaunt, wie weit die Forscher, gerade auch wegen den vielen archäologischen Funden, in jener Zeit schon Forschungen gemacht haben.
Welche denn, z. Beispiel?

Die Archäologie ist eine relativ junge Wissenschaft. Erste archäologische Ansätze entstanden erst im 15. Jahrhundert, aber zur Wissenschaft avancierte sie erst im 19. Jahrhundert. Davor gab es diese Disziplin einfach nicht. Wen interessierte schon, die alten Grabstätten, oder altes Mauerwerk? Damals war man nur daran interessiert, weil die Grabbeigaben teilweise wertvolle Edelmetalle enthielten. Es ist ein trariges Kapitel christlicher Geschichte, aber die Spanier und Portugiesen haben ihre Kolonialmacht auf den Ruinen und dem Rauban den alten südamerikanischen Kulturen gebaut.

2Lena hat geschrieben:Ich meine, man findet so was im AT und schüttelt arg den Kopf. Was Mose damals in der "Bildersprache" den Menschen beibrachte, lautet in unseren Wortbegriffen so ziemlich anders.

Damals waren natürliche Begriffe annähernd gleich den philosophischen. Die Menschen konnten also die Gesetze verstehen. Ohne diese Umsetzung ist da rein gar nichts von Regeln im Miteinander, Gesetze über Wunschregelung, Zurückhaltung. Es ist nichts von Gesamtüberblick mehr vorhanden, wie ihn die alten Ägypter noch kannten (und eine unglaubliche Kultur schufen, die noch heute erstaunt).
Es waren einfachere Zeiten. Damals galt die Todesstrafe für fast alles einschließlich Holz Sammeln am Sabbat. Das hatte den Vorteil der Verständlichkeit.
Du sollst die Gesetze achten, oder du bezahlst mit dem (möglichst grausamen) Tod.

2Lena hat geschrieben:Josi, du meinst, alle Religionen begründen sich durch unbelegbare Behauptungen.
Dieser Satz ist FALSCH.
Ich weiß nicht was du hast, liebe 2Lena. Mir erscheint er durchaus richtig.

2Lena hat geschrieben:Es ist ständig die Rede von "Beweisen".
Beweisen kann man auf der Welt fast gar nix, liebe 2Lena.
Allerdings gehört es sich Belege für die eine oder andere Behauptung anzuführen, will man nicht unredlich sein.
Wem soll man sonst glauben außer den Belegen? Dem der die lauteste Stimme hat?

2Lena hat geschrieben:Als ob man die Bibel archäologische "beweisen" müsste, oder den durchgehenden Stamm einer Überlieferung aufzählen muss.
Einfach ein altes Buch zum Verkünder der Wahrheit zu erheben, ist aber noch viel schlimmer, als Belege zu fordern.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#882 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 30. Jul 2016, 10:19

Münek hat geschrieben:Der historische Mensch Jesus von Nazareth ist NICHT identisch mit dem geglaubten Gottessohn und Kyrios.
Da sind wir uns einig. - Aber andersrum stimmt: Das, was am verkündeten Jesus wahr ist, ist historisch.

Münek hat geschrieben:Einen "historisch-kritischen" Jesus gibt es nicht.
Doch. - Er ist das säkulare Gegenstück zum kerygmatischen Jesus.

Münek hat geschrieben:Also wie gehabt - unbelegte Behauptungen.
Jahrtausendelang belegte Behauptungen - aber eben nicht auf Deiner Wellenlänge.

Münek hat geschrieben:Es bringt nichts, ihm nachträglich das Wort im Mund umdrehen zu wollen.
Dazu muss man erst mal wissen, wie das Wort richtig rum im Mund ist. - Mir wird immer klarer: Ohne Heiligen Geist geht's nicht.

Münek hat geschrieben:Für die RKK und damit für die sog. "kanonische Exegese" sind alle in den Evangelien überlieferten Worte Jesu KEINE Rezeptionen der Evangelisten, sondern authentische Worte des Jesus von Nazareth.
Wie mehrfach gesagt: Da gibt sich die RKK eine unnötige Breitseite.

Allerdings ist hinzuzufügen, dass sie die Evangelisten-Worte ganz anders interpretiert. - Man kann die Worte i.d.R. so interpretieren, dass sie geistig korrekt sind - andersrum gesagt: Erst auf diesem Forum habe ich mitgekriegt, wie Sätze, die mir auf Anhieb klar waren, ins Säkulare hinein verdreht interpretiert werden können.

Münek hat geschrieben:Da gibt es nichts zu erklären, denn Jesus sprach NIE von irgendeiner "Erlösung".
Er sprach auch nie von "Trinität" - das sind Überblicksbegriffe der Nachwelt.

Münek hat geschrieben:Selbst wenn die historisch-kritische Forschung das Modell durchspielte, Jesus wäre eine "übernatürliche Person" gewesen, würde dies nichts an ihrem Ergebnis ändern
Wenn man nicht gleichzeitig auch im eigenen Kopf etwas ändert, ist das richtig - das scheint mir der Fehler von Strauss gewesen zu sein.

Es läuft immer aufs selbe heraus: Eine der Interpretation zugrunde liegende Denkweise hat eine weitaus größere Wirkung als Wissenschaft.

Münek hat geschrieben:Wäre Jesus wirklich der Sohn Gottes gewesen, hätte er viele seiner prophetischen echatologischen Aussagen über die nahe göttliche Endzeit niemals gemacht. ....
Kurioserweise wird es ausschließlich INNERHALB der Theologie vertreten.
Denkweise - geistige Formatierung - innere Logik auf Basis einer unangemessenen Setzung.

Und das hat auch Platz genommen in der Theologie - richtig. Möglicherweise sitzen dort einige, die wirklich wohlwollend meinen, man können - zu Ende gedacht - materialistische Bright-Brillanz und geistig-spirituelles Denken versöhnen. - Aber es scheint genauso wenig zu gehen wie Ratzingers Versuch, die HKM zu erweitern ins Geistige.

Und so ist ein trojanisches PFerd daraus geworden - wie Du weißt, drückt es Ratzinger dramatischer aus.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#883 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 30. Jul 2016, 10:42

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der historische Mensch Jesus von Nazareth ist NICHT identisch mit dem geglaubten Gottessohn und Kyrios.
Da sind wir uns einig. - Aber andersrum stimmt: Das, was am verkündeten Jesus wahr ist, ist historisch.
Das ist eine Binsenweisheit. Die kanonische Exegese bemüht sich aber gar nicht zwischen historisch und unhistorisch zu unterscheiden. Und wenn etwas unhistorisch ist, dann wird die Flucht ins Kerygma angetreten.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Einen "historisch-kritischen" Jesus gibt es nicht.
Doch. - Er ist das säkulare Gegenstück zum kerygmatischen Jesus.

Das ist ja gerade das Seltsame, dass z. B. Bultmann trotz seiner Erkenntnisse durch die historisch-kritische Methode die Ausweichstrategie ins Kerygma wählte.

"Eine beliebte Strategie unter Theologen, den für den Glauben unangenehmen Ergebnissen der
eigenen Neu- und Alttestamentler aus dem Wege zu gehen, ist es, deren Bedeutung für den Glauben
einfach zu leugnen. Etwas überspitzt kann diese Haltung folgendermaßen charakterisiert werden:
Auch wenn das alles über Jesus Erfindungen sind, kann es den Gläubigen dennoch als Gotteswort
ansprechen. Es geht nicht um den historischen Jesus, wird gesagt, sondern um den kerygmatischen
Christus, also den Christus, der den Gläubigen in der Predigt begegnet und an den geglaubt wird. Vor
allem der Neutestamentler Rudolf Bultmann (gest. 1976) und viele seine Schüler schärften diese
Unterscheidung ein. Bultmann, der als Theologe so kritisch mit der biblischen Überlieferung umging,
dass er auch heute noch ein rotes Tuch für alle Frömmler und Evangelikale darstellt, und der eine
Erlösung am Kreuz schon mal als „primitive Mythologie“ bezeichnen konnte, gelang mit dieser
Unterscheidung (die nicht von ihm stammte, sondern inhaltlich zumindest schon auf Kierkegaard
zurückging) auch auf seine persönliche Existenz bezogen gleich beides: Einerseits eine kritische
Forschung zu betreiben ohne Rücksicht auf dogmatische Verluste, andererseits behaupten zu können,
dass damit der persönliche Glaube überhaupt nicht tangiert werde."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#884 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 30. Jul 2016, 10:43

sven23 hat geschrieben:Das ist ja gerade der Fehler. Die Quellen sind nun mal nicht irrtumsfrei
Erstens stimme ich Dir zu, zweitens habe ich die Konkretisierung resp. Einschränkung, die Princeton damit verbindet, dazu-zitiert - oder nicht?

sven23 hat geschrieben:Man sagt also, weil Jesus der Sohn Gottes ist, kann er sich nicht geeirrt haben und ignoriert die Textquellen. Genau das ist der Zirkelschluss.
Das WÄRE ein Zirkelschluss - aber das sagt man nicht. - Man sagt, weil er "Gottes Sohn"/Gott ist, versteht man die Quellen anders. - Denn dann kommen plötzlich Begriffe wie "heilsgeschichtliche Erkenntnis-Entwickung" und "NT-Paradigmenwechsel" ins Spiel - Begriffe, mit denen die HKM methodisch bedint nichts anfangen können DARF.

sven23 hat geschrieben: Wer würde denn postulieren, man müsse bei der Untersuchung anderer Kulte unbedingt von der Existenz deren Götter ausgehen.
Wenn man davon ausgeht, dass es Zeus & Co nicht gibt, wird man es nicht postulieren. - Allerdings gilt auch hier: Man wird es anders interpretieren, wenn man Religionen grundsätzlich nicht nur als kulturelle vor-aufgeklärte Phänomen versteht, sondern als Ausdrucksformen von geistiger Weisheit.

sven23 hat geschrieben:Den kann die kanonische Exegese gar nicht haben, weil sie ausschließlich der Bestätigung eines Glaubenskonstrukts dienen soll.
Sie will gar nicht bestätigen - genauso, wie die moderne Aufklärung nicht Vernunft in ihrem Verständnis bestätigen will, sondern einfach setzt.

sven23 hat geschrieben:Mit dem Mass eines normalen Textverständnisses.
"Normal" IST doch "heutige säkulare Interpretation". - Ein philosophische gesetzter Maßstab - auch die christliche Theologie hat Maßstäbe, aber sie bekennt sich dazu ("Glaubensentscheidung"). - Dogmen gehen nicht dadurch weg, dass man sie für "normal" erklärt.

sven23 hat geschrieben:Jesus kündigte die nahe Gottesherrschaft an, aber sie kam nicht.
Im Sinne "eines normalen Textverständnisses" heutiger säkularer Interpretation kam sie nicht - war aber eben auch nicht so geplant.

sven23 hat geschrieben:Nein, die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung kommen ja aus dem eigenen Haus. Das ist es doch, was Ratzinger und Berger so auf die Palme bringt.
Möglicherweise sitzen dort einige, die wirklich wohlwollend meinen, man können - zu Ende gedacht - materialistische Bright-Brillanz und geistig-spirituelles Denken versöhnen. - Aber es scheint genauso wenig zu gehen wie Ratzingers Versuch, die HKM zu erweitern ins Geistige.

Und so ist ein trojanisches PFerd daraus geworden - wie Du weißt, drücken es Ratzinger und Berger dramatischer aus.

sven23 hat geschrieben:Da würde ich dem Theologen Lüdemann zustimmen, der sagt, dass Glaubensverkündigungen an Universitäten nichts zu suchen haben.[/quote]Wenn sich Universitäten im geisteswissenschaftlichen Bereich auf materialistische Bright-Brillanz verengen wollen, muss eine Trennung zu geistig-spirituellen Disziplinen her. - Da besteht Einigkeit. De facto liefe es auf zwei Universitäts- und Wissenschafts-Philosophien hinaus - vielleicht erleben wir zur Zeit den Übergang.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#885 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 30. Jul 2016, 10:47

sven23 hat geschrieben:der liebe Kurt hat nicht nur die historisch-kritische Methode nicht verstanden, sondern er versteht auch die kanonische Exegese nicht.
Mit diesem Ausweichmanöver wirst Du nicht weiter kommen. - Wenn Du nicht begreifst, dass der historische Jesus im Sinne der HKM ein säkular-kerygmatischer Jesus ist, brauchen wir erst gar nicht weiter zu diskutieren.

Nebenbei: Die kanonische Exegese habe ich wirklich noch nicht ganz verstanden - aber trotzdem genug, um ihre Notwendigkeit als Gegenkraft zu einer säkular-kerygmatischen HKM zu erkennen.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#886 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 30. Jul 2016, 10:53

sven23 hat geschrieben:Das ist eine Binsenweisheit.
Puuh - das war knapp. :lol:

sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese bemüht sich aber gar nicht zwischen historisch und unhistorisch zu unterscheiden.
Aus Deinem Mund vermutlich ein begriffliches Problem - denn:

Wenn Du "historisch" meinst, meinst Du bisher "HKM-kerygmatisch" (neuer Begriff - aber ich finde ihn extrem treffend). - DARAN orientiert sich die kanonische Exegese in der Tat NICHT. - Sie versteht unter "historisch", was (für unsere Wahrnehmung unerreichbar) der Fall war.

Und jetzt erst macht Dein Satz Sinn: Auch da macht die kanonische Exegese mit einiger Wahrscheinlichkeit Fehler. - Dass sie sich nicht HKM-kerygmatisch orientiert, ist kein Fehler.

sven23 hat geschrieben:Kubitza, Der Dogmenwahn
Ganz ohne Aggression: Der Mann versteht die eigentlichen Sachen nicht - er argumentiert folgerichtig, aber auf Alpha-Kevin-Niveau.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#887 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 30. Jul 2016, 11:26

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist ja gerade der Fehler. Die Quellen sind nun mal nicht irrtumsfrei
Erstens stimme ich Dir zu, zweitens habe ich die Konkretisierung resp. Einschränkung, die Princeton damit verbindet, dazu-zitiert - oder nicht?
Schon, aber da ist immer noch ein Denkfehler drin. Wenn schon die Quellen nicht irrtumsfrei sind, ist auch die Interpretation mit großer Wahrscheinlichkeit irrtumsbehaftet.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man sagt also, weil Jesus der Sohn Gottes ist, kann er sich nicht geeirrt haben und ignoriert die Textquellen. Genau das ist der Zirkelschluss.
Das WÄRE ein Zirkelschluss - aber das sagt man nicht. - Man sagt, weil er "Gottes Sohn"/Gott ist, versteht man die Quellen anders.
Kommt aber auf dasselbe raus.

closs hat geschrieben: - Denn dann kommen plötzlich Begriffe wie "heilsgeschichtliche Erkenntnis-Entwickung" und "NT-Paradigmenwechsel" ins Spiel - Begriffe, mit denen die HKM methodisch bedint nichts anfangen können DARF.
Wenn sie Teil des Glaubenskonstrukts sind, werden sie natürlich berücksichtigt, was denn sonst? Du verwechselst immer wieder Beschreibung eines Glaubenskonstrukts mit dem Glauben an dieses Konstrukt. Du bist bei der historisch-kritischen Forschung einfach in der falschen Abteilung. Wie Münek immer sagt, darfst du im glaubensogmatischen Sandkasten spielen, aber die Forschung ist nicht dein Ding.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Den kann die kanonische Exegese gar nicht haben, weil sie ausschließlich der Bestätigung eines Glaubenskonstrukts dienen soll.
Sie will gar nicht bestätigen -
Ich glaube, da irrst du dich gewaltig. Sie ist ja gerade deshalb entwickelt worden, weil die historisch-kritische Methode diese erhoffte Bestätigung nicht liefern konnte, ja sogar im Gegenteil den glaubensogmatischen Lack stark ankratzte.

closs hat geschrieben: - Dogmen gehen nicht dadurch weg, dass man sie für "normal" erklärt.
Dogmen sind alles andere als normal. Sie gehen nur dadurch weg, dass man sich von ihnen lossagt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus kündigte die nahe Gottesherrschaft an, aber sie kam nicht.
Im Sinne "eines normalen Textverständnisses" heutiger säkularer Interpretation kam sie nicht - war aber eben auch nicht so geplant.
Geplant im Sinne es willentlichen Vorhabens war es sicher von niemandem. Aber Jesus und Johannes und deren Anhänger glaubten daran. Das ist der entscheidende Punkt. Dass sie sich geirrt haben, ist ja kein Argument gegen ihren Glauben daran.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, die Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung kommen ja aus dem eigenen Haus. Das ist es doch, was Ratzinger und Berger so auf die Palme bringt.
Möglicherweise sitzen dort einige, die wirklich wohlwollend meinen, man können - zu Ende gedacht - materialistische Bright-Brillanz und geistig-spirituelles Denken versöhnen. - Aber es scheint genauso wenig zu gehen wie Ratzingers Versuch, die HKM zu erweitern ins Geistige.
Ratzinger weiß natürlich, dass die Kirche der historisch-kritisch arbeitenden Forschung die Präsenz an den Universitäten verdankt, insofern muss er sie vordergründig loben. Die Ergebnisse gefallen ihm natürlich nicht, aber mit diesem Widerpruch muss ein Glaubensdogmatiker wohl leben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da würde ich dem Theologen Lüdemann zustimmen, der sagt, dass Glaubensverkündigungen an Universitäten nichts zu suchen haben.[/quote]Wenn sich Universitäten im geisteswissenschaftlichen Bereich auf materialistische Bright-Brillanz verengen wollen, muss eine Trennung zu geistig-spirituellen Disziplinen her. - Da besteht Einigkeit. De facto liefe es auf zwei Universitäts- und Wissenschafts-Philosophien hinaus - vielleicht erleben wir zur Zeit den Übergang.
Lüdemann schlägt vor: Religonswissenschaften an die Unis, verkündende Theologie raus. Ich meine, er hat Recht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#888 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 30. Jul 2016, 11:31

closs hat geschrieben: Wenn Du "historisch" meinst, meinst Du bisher "HKM-kerygmatisch" (neuer Begriff - aber ich finde ihn extrem treffend). - DARAN orientiert sich die kanonische Exegese in der Tat NICHT. - Sie versteht unter "historisch", was (für unsere Wahrnehmung unerreichbar) der Fall war.
Historisch ist doch eigentlich klar definiert. Warum immer diese Begriffsverwirrung?


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kubitza, Der Dogmenwahn
Ganz ohne Aggression: Der Mann versteht die eigentlichen Sachen nicht - er argumentiert folgerichtig, aber auf Alpha-Kevin-Niveau.
Was wirfst du ihm konkret an seiner Aussage vor?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#889 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 30. Jul 2016, 11:39

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:der liebe Kurt hat nicht nur die historisch-kritische Methode nicht verstanden, sondern er versteht auch die kanonische Exegese nicht.
Mit diesem Ausweichmanöver wirst Du nicht weiter kommen. - Wenn Du nicht begreifst, dass der historische Jesus im Sinne der HKM ein säkular-kerygmatischer Jesus ist, brauchen wir erst gar nicht weiter zu diskutieren.
Moment, die Flucht ins Kerygma ist keine notwendige Konsequenz aus der historisch-kritischen Forschung. Es ist ein Ausweichstratgie, die von einigen Theologen ergriffen wird.

"Auch Nicht-Bultmannianer übernehmen die Unterscheidung gerne. Bei Joest z. B. liest sich das so:
„Auch Texte, die nach den Maßstäben historischer Kritik als unhistorisch gelten oder als sekundäre Weiterbildung der
Gemeindetheologie eingestuft werden, können als Wort Gottes verstanden werden.“
...
Dreierlei muss hier angemerkt werden. Erstens wird von theologischer Seite heute gerne der
Eindruck erweckt, als sei die historische Forschung gar nicht so wichtig und als hätten diejenigen, die
die Theologen mit historischen Einwänden und Anfragen konfrontieren, irgendwie den Anschluss
verpasst. Doch ebenso wie die historisch-kritische Methode im Feld der „profanen Historie“ wenig
an Bedeutung verloren hat (bestenfalls ergänzt wird, z. B. durch eine soziologische Analyse), hat sie
ihre Bedeutung bei der Analyse von biblischen Texten natürlich behalten. Sie ist einfach zu
erfolgreich, um ignoriert zu werden. Viel eher zeigt sich hinter dem Kleinreden ihrer Bedeutung eine
Fluchtbewegung der Theologie, die nur zu verständlich ist. Weil sie von der historischen Forschung
wenig für die Kirche und für ihr Glaubensleben zu erwarten hat, tritt sie die Flucht ins Kerygma an.
Was gehen sie Forschungsergebnisse an, Hauptsache sei das persönliche Ergriffensein durch das
Wort Gottes. Selbst wenn Historiker das Christentum als Erfindung erweisen würden; den rechten
Glauben dürfte das nicht stören.
Es ist zweitens klar, dass eine solche Haltung mehr als naiv ist, denn sie hat sich theoretisch völlig
von der Frage nach dem „Grund“ des Glaubens verabschiedet. Es interessiert nur noch der Glaube als
Akt, es interessieren aber nicht mehr die Inhalte dieses Glaubens. Doch damit wäre der Glaube
eigentlich auch nicht mehr an christliche Inhalte gebunden und es wäre überhaupt nicht einzusehen,
warum dann nicht auch der Glaube an Mohammed, an Zeus oder an das fliegende Spaghettimonster
möglich und richtig wäre. So weit wollen die christlichen Theologen es dann aber doch nicht treiben.
Also stellen sie sich drittens unausgesprochen unter dem an sich nebulösen Begriff des Kerygmas
christliche Inhalte vor. Wo haben sie diese aber her? Wieder aus der Bibel und einer unkritischen
Interpretation derselben. Erneut begegnet uns der Zirkelschluss, die beliebteste logische Operation in
der Theologie"

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#890 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 30. Jul 2016, 11:53

sven23 hat geschrieben:Wenn schon die Quellen nicht irrtumsfrei sind, ist auch die Interpretation mit großer Wahrscheinlichkeit irrtumsbehaftet.
Man kann überall irgendwelche Korrelationen schaffen. - Mal rein praktisch: Wenn man übergeordnet geistig vorgeht, kann man auch aus nicht-irrtumsfreien Quellen rauslesen, was wichtig ist. Insofern steckt in der Bibel schon alle nötige Wahrheit.

Aber das ist halt der deduktive Ansatz (= man hat einen Ansatz, der einen top-down interpretieren lässt) - "bauartbedingt" kann das die HKM nicht (muss sie auch nicht).

sven23 hat geschrieben:Kommt aber auf dasselbe raus.
Nein.

sven23 hat geschrieben:Du verwechselst immer wieder Beschreibung eines Glaubenskonstrukts mit dem Glauben an dieses Konstrukt.
Auch nein. - Ein geistig gut gebildeter Rabbi oder Imam wird genauso to-down interpretieren können, auch wenn er NICHT an die christliche Interpretation glaubt. - Aber man muss geistig gut gebildet sein - das ist die HKM "bauartbedingt" nicht. - Sie ist methodisch/intellektuell/kognitiv (was immer Du auch willst) gut gebildet, aber nicht geistig.

sven23 hat geschrieben: Du bist bei der historisch-kritischen Forschung einfach in der falschen Abteilung.
Andersrum: Wer geistige Realität fassen will, ist in der HKM falsch aufgehoben. - Ich hätte keine Probleme, die Bibel säkular-historisch-kritisch zu interpretieren - dann würde ich aber arg darauf achten, mich an Beobachtungen und deren Beschreibungen zu halten und NICHT substantiell zu interpretieren.

sven23 hat geschrieben: Sie ist ja gerade deshalb entwickelt worden, weil die historisch-kritische Methode diese erhoffte Bestätigung nicht liefern konnte
Sie ist wieder aus der Mottenkiste herausgeholt worden, weil sich herausgestellt hat, dass eine geistig verschlossene HKM kein Fortschritt ist, sobald es um substantielle Interpretation gibt. - Möglicherweise hat man in der HKM-Hype-Zeit vor vielen Jahrzehnten gemeint, dies ginge.

sven23 hat geschrieben:Dogmen sind alles andere als normal. Sie gehen nur dadurch weg, dass man sich von ihnen lossagt.
Meine Bemerkung galt der methodischen Dogmatik der HKM.

sven23 hat geschrieben:Ratzinger weiß natürlich, dass die Kirche der historisch-kritisch arbeitenden Forschung die Präsenz an den Universitäten verdankt
Historisch komplett auf den Kopf gestellt - Du hast keinerlei Scheu, Dinge komplett auf den Kopf zu stellen.

sven23 hat geschrieben:Lüdemann schlägt vor: Religonswissenschaften an die Unis, verkündende Theologie raus. Ich meine, er hat Recht.
Wenn sich eine dogmatische Bright-Auffassung durchsetzen sollte, entspricht dies auch meiner Meinung - dann brauchen wir halt zwei Uni-Stränge: eine historisch geistes-wissenschaftliche Linie und eine materialistische Schiene.

Das gab es übrigens im Ansatz vor 50 Jahren: Da gab es sog. "Voll-Unis" und "Fach-Unis".

sven23 hat geschrieben:Historisch ist doch eigentlich klar definiert.
Offenbar nicht. - Bei uns im historischen Bereich war "historisch" das, was Wissenschaft unter Historie versteht - und nicht das, "was wahrnehmungs-unabhängig der Fall gewesen war". - Natürlich war es Aufgabe der Wissenschaft, den Gap zwischem Beiden möglichst klein ausfallen zu lassen.

"Historisch" war wie "die Historiker sagen" - und nicht "es war faktisch so der Fall". - Wir haben damals methodisch nicht so verwischt gearbeitet ... - Was ist für Dich die "klare Definition"?

sven23 hat geschrieben:Was wirfst du ihm konkret an seiner Aussage vor?
Dass er seine Reflexionsebene überhaupt nicht zu reflektieren scheint.

Gesperrt