Naqual hat geschrieben: ↑Do 30. Jan 2020, 15:24
Das ist m.E. auch ein "strukturelles" Problem von vielen Religionen. Das Christentum ist da keine Ausnahme. Rein psychologisch ergibt sich folgendes Problem:
genutzt werden alle Mechanismen zur Befriedigung des Egos.
Da wird unendliche Belohnung versprochen, Straffreiheit, eigentlich alles was dem einzelnen selbst nützt. Das Problem sehe ich darin, dass es in den MITTELPUNKT gestellt wird. Als Grund z.B. Christ zu sein. Damit wird missioniert. Und schon ist die pschologische Falle zugeschnappt. Selbst bei gutem und lobenswerten Ansinnen wirkt hier etwas Ungünstiges mit.
Der Gläubige pflegt seine eigenen spirituellen Hochstimmungen, seine Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, Lösung seiner eigenen Probleme, Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse (Trost von höherer Stelle, Selbstbestätigung, Selbstliebe, etc.) Sicher geht es bei Gläubigen auch anders (und es gibt Beispiele von Personen, wo man den Hut vor Hochachtung ziehen muss). Aber der beschriebene Umstand ist zentral von Anfang an.
So anders wie der gute Erich bin ich manchmal gar nicht. Nur eben ohne die lange Kette von Bibelstellen.
So anders ist eigentlich keiner von uns, wohl nur in verschiedenen, sagen wir - Abstufungen.
Und so habe ich eine Frage an Dich, die ich mir schon länger stelle, die wir auch im Kreis von Christen diskutierten, nur kamen hier leider und je nach Konfessionszugehörigkeit die verschiedensten Ergebnisse heraus, sozusagen.
Gibt es im NT, in den verschiedenartigsten Ansätzen dessen, was später zur Zeit der Renaissance von großen christlichen Denkern im und mit dem Humanismus verflochten, vorgedacht und vorformuliert wurde, so etwas das wir Ansätze einer humanistischen Tradition nennen könn(t)en.
Als Vertreter dieses Frühhumanismus nenne ich jetzt einmal nur Erasmus von Rotterdam, Dante Aligherie (dessen Göttliche Komödie zum festen Bestandteil der Weltliteratur gehört), auch Melanchton, Petrarca, Montaigne (seine Essays, eines meiner "Kopfkissenbücher"), Morus, Reuchlin und Bocaccio sind dazu zu zählen, und viele andere mehr. Bedenken wir dabei, das die viele der damaligen Humanisten sich um soziale Fragen eher weniger kümmerten.
Sind also die Texte der Bergpredigt, zum Beispiel, vom Inhalt und Anliegen her, nicht auch als Wurzeln einer allgemeinen Deklaration der Menschenrechte zu lesen und zu verstehen, im damaligen Zeitrahmen jedenfalls, lässt man die Höllenthematik einmal außen vor.
Oder anders formuliert, wie viel von dem was Jesus im NT verkündete, wie viel von diesem Text und Gedankengut finden wir heute in den Verfassungen vieler Länder wieder? Hier wieder im sozialen und kulturellen Zeitrahmen.
Ich zitiere dazu einmal Albert EInstein: Eine Verbesserung der Bedingungen auf der Welt ist im wesentlichen nicht von wissenschaftlicher Kenntnis, sondern vielmehr von der Erfüllung humaner Traditionen und Ideale abhängig.
Wie viel humanistische Tradition steckt nun im Neuen Testament?
(Vielleicht von Jesus in sozialen Fragestellungen erweitert, also die von der Gesellschaft Ausgestoßenen, die Wehrlosen, die Armen. Heute heißt das wohl "Unterschichten".)
Eigentlich wollte ich noch fragen, wie viel politischen Sprengstoff könnte, also könnte gerade heute im NT stecken, aber vielleicht kommen wir dazu später einmal.