Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

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Thaddäus
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#201 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von Thaddäus » Sa 25. Mai 2019, 15:44

Roland hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 12:07
Wie closs schon gesagt hat: So ist es auch! Wir sind Höhlenbewohner und nehmen nur die Schatten der Wirklichkeit an der dem Ausgang gegenüberliegenden Höhlenwand wahr. Wir sind begrenzte Wesen, gefangen durch die Möglichkeiten, die uns unsere Sinne bereitstellen. Wir erkennen nur stückweise, wie "durch einen Spiegel in einem dunklen Bild" (1. Kor. 13, 12). Große Dimensionen der Wirklichkeit bleiben uns verborgen. Vielleicht mit Ausnahme der Mathematik, müssen wir immer zuerst ein bestimmtes Weltbild voraussetzen und sicheres Wissen ist uns versagt.
"Die letzte Schlussfolgerung der Vernunft ist, dass sie einsieht, dass es eine Unzahl von Dingen gibt, die ihr Fassungsvermögen übersteigt; sie ist nur schwach, wenn sie nicht bis zu dieser Einsicht gelangt…" (Blaise Pascal, Pensées)
Das ist immerhin eine hübsche und zutreffende Zusammenfassung der globalen postmodern-konstruktivistischen Skeptizismusanschauung, die ihren Ausgangspunkt in Kants fataler Ding-an-sich-Hypothese nimmt und sich bis Richard Rorty und Paul Feyerabends "Anything goes"-These fortsetzt.
Das ist nur leider alles falsch.
1. weil schon Kants Generalisierung falsch ist, aus der Tatsache, dass es Grenzen der Vernunft und sinnlichen Wahrnehmung gibt zu schlussfolgern, dass wir darum grundsätzlich überhaupt nichts mit Sicherheit erkennen könnten; denn das tun wir sehr wohl ...
2. weil auch in Platons Höhle die unumstößliche Tatsache herrscht, dass Schatten nur existieren, wenn sie von etwas geworfen werden, denn Schatten werfen keine Schatten. Auch in Platons Höhle gibt es nicht nur Schatten, sondern Wahrheit;
3. kann der Konstruktivismus in seinen starken Formen als Kontext-, Neuro- und Wahrheitskonstruktivismus nicht korrekt sein, weil seine zentrale These, jede Wahrheit und Erkenntnis sei letztlich kontextbezogene oder neuronale Konstruktion auf sich selbst angewendet einen Widerspruch ergibt. Wenn die These korrekt ist, hebt sie sich selbst in ihrem Wahrheitsanspruch auf. Das hat mittlerweile sogar SilverBullet verstanden (womit er übrigens einen wirklichen Erkenntnisfortschritt erzielt hat, gratuliere!).

Wenn sich jemand für den Relativismus interessiert, empfehle ich den schmalen, aber ausgezeichneten Band: Bernd Irlenborn, Relativismus, Grundthemen Philosophie, de Gruyter, Berlin/Boston 2016.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 25. Mai 2019, 16:02, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#202 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von closs » Sa 25. Mai 2019, 15:47

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Was damit gemeint ist, ist theologisch unstrittig.
Das ist nun wirklich nichts Neues - die Frage lautet: Was hat JESUS damit gemeint? - Meint er im Sinne Deiner Ausführungen oder ist er ein Paradigmenwechsel in ein ganz neues Verständnis? - Das, was Du referierst, weiß die christliche Theologie doch auch - trotzdem interpretiert man Jesu Auffassung weitgehend im Sinne eines Paradigmenwechsels, also anders als es ein kontinuierliches Verständnis ("So war es jüdisch - Jesus war Jude - also hat er es so gemeint") nahelegt.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Ein wissenschaftliches Ergebnis ist als fact in the world immer auch ein ontisches Ereignis.
:?: Wenn Du damit sagen willst, dass das Ergebnis-Finden an sich ein Vorgang ist und deshalb ein ontisches Ereignis, kann man das wohl so sagen. Meinst Du es so? ---- Wenn Du damit sagen willst, dass das Ergebnis ontischen Rang hat im Sinne von "Dieses Ergebnis ist inhaltlich nicht nur als methodische, sondern auch als ontische Größe zu verstehen, irrst Du. ---- Aber was meinst Du? ERsteres oder zweiteres?

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Aber wissenschaftliches Ergebnis und ontisches Ereignis sind nicht etwa dasselbe ...
Also meinst Du wohl eher ersteres - naja, aber das ist nun wirklich nicht weltbewegend.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Nur derjenige, der den Unterschied zwischen epistemisch und ontisch nicht kennt kommt hier auf den Gedanken, ich würde methodisches Ergebnis und ontisches Ereignis als DASSELBE betrachten.
Du hast lange genug genau diesen Eindruck erweckt, als Du vor längerer Zeit gemeint hast, dass Jesus WIRKLICH eine Naherwartung (im jüdischen Verständnis) gehabt habe, da dies ein wissenschaftlich alternativloses ERgebnis sei - Du sprachst in diesem Kontext von "Tatsache".

OK und egal - halten wir fest, dass methodische Ergebnisse im inhaltlichen Sinne kategorial KEINEN ontischen Rang haben - zitiere ich Dich in meiner Formulierung richtig? Falls ja: Super.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Wenn das möglich wäre, müsste ich nicht deine Inkompetenz konstatieren.
Wenn Dun wüsstest, was ich alles als inkompetent konstantieren müsste und es trotzdem nicht tue ...

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Und hier zeigt sich deine Inkompetenz, denn genau dieses Verhältnis zwischen ontischer und epistemischer Ebene beschreibe ich mit ...
Nein - hier zeigst Du einmal mehr Deine offensiv vorgetragene Inkompetenz in der Unterscheidung ontischer und epistemischer Ebenen. - Denn könntest Du unterscheiden, würde Dir klar sein, dass "epistemische Möglichkeiten" und "ontisches Sein" nichts miteinander zu tun haben - konkret:

Natürlich kann es sinnvoll sein, Ontisches zu postulieren, das methodisch nicht nachweisbar ist, da Seiendes auch dann existieren und wirken kann, wenn wir es nicht nachweisen können. Merkst Du nicht, dass Du das Ontische zur Geißel des Epistemischen machen willst?

Das gilt auch für Jesus, der historisch göttlich gewesen sein kann, als dann eine ontische Größe in diesem Sinn ist. - Du sagst: "Macht nichts - ich untersuche trotzdem so, als sei er nur menschlich, weil ich Göttlichkeit nicht nachweisen kann". - Gut, das geht noch - aber dann darf man nicht sagen "Jesus HATTE eine Naherwartung (im jüdischen Sinne)", sondern allenfalls "Falls das, was ich prinzipiell nachweisen kann, WIRKLICH war ist, dann hatte Jesus diese Naherwartung".

Merkst Du nicht, dass Du nach dem Motto verfährst: "Falls etwas ontisch anders ist, als ich methodisch in den Griff kriege, hat das Ontische ein Problem und nicht ich" -------------------???

closs
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#203 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von closs » Sa 25. Mai 2019, 15:51

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:44
weil schon Kants Generalisierung falsch ist, aus der Tatsache, dass es Grenzen der Vernunft und sinnlichen Wahrnehmung gibt zu schlussfolgern, dass wir darum grundsätzlich überhaupt nichts mit Sicheheit erkennen könnten; denn das tun wir sehr wohl ...
Nenne ein Beispiel, dass setzungslos mit Sicherheit von uns erkannt wird.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:44
Auch in Platons Höhle gibt es nicht nur Schatten, sondern Wahrheit
Was ist Wahrheit aus Deiner Sicht? Eine System-Größe oder eine universale Größe?

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Thaddäus
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#204 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von Thaddäus » Sa 25. Mai 2019, 16:01

closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:47
Natürlich kann es sinnvoll sein, Ontisches zu postulieren, das methodisch nicht nachweisbar ist, da Seiendes auch dann existieren und wirken kann, wenn wir es nicht nachweisen können. Merkst Du nicht, dass Du das Ontische zur Geißel des Epistemischen machen willst?
Unsinn. Wenn etwas postuliert wird, das grundsätzlich nicht beobachtbar und nachweisbar ist, dann wissen wir ja gerade nicht und können es auch niemals herausfinden, ob es TATSÄCHLICH existiert. Die Existenz von etwas anzunehmen, dessen Existenz man grundsätzlich nicht überprüfen kann ist (wissenschaftlich) SINNLOS.
Du kannst privat und für dich natürlich gerne jederzeit daran GLAUBEN, dass jenseits des menschlichen Beobachtungshorizontes ein Planet existiert, auf dem Wesen existieren, die closs mental daran hindern, plausible und logische Zusammenhänge zu durchschauen. Und vielleicht gibt es diesen Planten und diese Wesen tatsächlich (ich halte es nicht für gänzlich abwegig). Trotzdem ist es wissenschaftlich sinnlos, deren Existenz anzunehmen.

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sven23
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#205 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von sven23 » Sa 25. Mai 2019, 17:24

closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 14:16
sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 13:41
Das hat dir Herr Jung doch schon ausgiebig erklärt. :roll:
Andere haben Dir was anderes erklärt.
Ach ja, ich vergaß. Im clossschen Beliebigkeitsuniversum kann eine Aussage ja gleichzeitig wahr und falsch sein. :lol:


closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 14:16
sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 13:41
aber höchstens von Leuten wie Lüdemann, der keinem kirchlichen Arbeitgeber mehr verpflichtet ist.
Ach Du lieber Gott. - Am Ende kommt raus: Jegliche spirituell interpretierende theologische Forschung ist abhängig. Solche Märchen könnt Ihr Euch intern erzählen.
Tut ja keiner. Selbst Kubitza bescheinigt der Forschung, einen im großen und ganzen guten Job zu machen.

closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 14:16
sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 13:41
Defniere "geistig weiter".
Hier: Wer dem Geist/dem Aussage-Sinn Jesu näher war.
Das ist definitiv die Forschung. Mit späteren Verfälschungen spielt man nur den Glaubensideologen in die Hände.



closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 14:16
sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 13:41
Es ist aber keine Verbesserung, wenn man die frei gewordenen Autoritätsfelder durch Esoterik- und Verschwörungsgurus ersetzt.
Hilfe - nein. - Die Obrigkeitsgläubigkeits-Felder sind heute umschrieben mit Politival Correctness/Social Correctness/Wissenschafts-Gläubigkeit/etc. ----- Allerdings stimme ich Dir zu, dass es gerade in den amerikanischen "weißen" Kirchen viel Esoterik gibt (Wohlstandsevangelium, biologische (!) Darwin-Kritik, etc).

Jetzt die Frage: Was ist besser? - Die säkularen Obrigkeitsjünger oder die glaubensgemeinschaftlichen Esoterikjünger? Mir ist der eine so unrecht wie der andere.
Was ist gegen Correctness einzuwenden, wenn man es nicht übertreibt? Jede Gesellschaft gibt sich Regeln und Normen,ohne die ein Gemeinwesen schwerlich funktionieren kann. Was passiert, wenn pubertäre Flegel an die Macht kommen, kann man an Trump sehen. :lol:
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sven23
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#206 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von sven23 » Sa 25. Mai 2019, 17:28

closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:47
Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:19
Was damit gemeint ist, ist theologisch unstrittig.
Das ist nun wirklich nichts Neues - die Frage lautet: Was hat JESUS damit gemeint? - Meint er im Sinne Deiner Ausführungen oder ist er ein Paradigmenwechsel in ein ganz neues Verständnis? - Das, was Du referierst, weiß die christliche Theologie doch auch - trotzdem interpretiert man Jesu Auffassung weitgehend im Sinne eines Paradigmenwechsels, also anders als es ein kontinuierliches Verständnis ("So war es jüdisch - Jesus war Jude - also hat er es so gemeint") nahelegt.
Aber doch erst, als man erkennen musste, dass Jesus sich geirrt hat. Für die Authentizität der Naherwartung spricht doch gerade, dass sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen hat, sie hätte schwerlich erfunden werden können.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Thaddäus
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#207 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von Thaddäus » Sa 25. Mai 2019, 19:43

closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:51
Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:44
weil schon Kants Generalisierung falsch ist, aus der Tatsache, dass es Grenzen der Vernunft und sinnlichen Wahrnehmung gibt zu schlussfolgern, dass wir darum grundsätzlich überhaupt nichts mit Sicheheit erkennen könnten; denn das tun wir sehr wohl ...
Nenne ein Beispiel, dass setzungslos mit Sicherheit von uns erkannt wird.
Da muss ich noch nicht einmal auf das Cogito sum Descartes oder logische Grundprinzipien wie den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch zurückgreifen. Ich erkenne mit Sicherheit beispielsweise das Laptop, an dem ich schreibe.
Mögliche skeptische Einwände wie die, ich könnte träumen, ich könnte ein brain in a vat sein, meine Sinne könnten gerade falsch funktionieren, ich könne grundsätzlich nicht das Ding an sich hinter dem Laptop erkennen oder ein genius malignus könnte mich täuschen sind zwar prinzipiell durchaus korrekt, nur gibt es überhaupt keinen Grund für mich anzunehmen, dass eines davon oder alle gerade im Moment der Fall sind.
Kants Übergeneralisierung (und die des Skeptizismus insgesamt) besteht genau darin, aus der bloßen Möglichkeit getäuscht werden zu können und aus der bloßen Möglichkeit, die Dinge nicht so erkennen zu können wie sie sind, pauschal zu schlussfolgern, dass dies auch tatsächlich und im Moment der Fall ist.
Nicht ich muss nachweisen, dass ich mein Laptop gerade mit Sicherheit erkenne genau so, wie es ist. Sondern der Skeptiker muss nachweisen, warum das im Augenblick bitteschön nicht der Fall sein soll. Die bloße Behauptung, ich könnte getäuscht werden, reicht nicht aus. Kant hat hier das am besten ausgearbeitete skeptische Szenario vorgelegt. Aber der übergeneralisiert, wenn er annimmt, wir könnten das Ding an sich grundsätzlich nicht erkennen.

closs hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:51
Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 15:44
Auch in Platons Höhle gibt es nicht nur Schatten, sondern Wahrheit
Was ist Wahrheit aus Deiner Sicht? Eine System-Größe oder eine universale Größe?
Das ist nicht die Frage. Dass im Szenario von Platons Höhle die Wahrheit der Dinge vorliegt, die ihre Schatten werfen, ergibt sich aus dem Szenario selbst. Das ist reine Logik ...

SilverBullet
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#208 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von SilverBullet » Sa 25. Mai 2019, 20:39

“Thaddäus“ hat geschrieben:Mögliche skeptische Einwände wie die, ich könnte träumen, ich könnte ein brain in a vat sein, meine Sinne könnten gerade falsch funktionieren, ich könne grundsätzlich nicht das Ding an sich hinter dem Laptop erkennen oder ein genius malignus könnte mich täuschen sind zwar prinzipiell durchaus korrekt, nur gibt es überhaupt keinen Grund für mich anzunehmen, dass eines davon oder alle gerade im Moment der Fall sind.
Jede Art von in der Welt übermitteltem „Welt-Skeptizismus“ ist in sich Blödsinn, denn ein stichhaltiges Argument, das „der Skeptiker“ tatsächlich nachvollziehen und ausleben könnte, würde ihn davon abhalten, ausgerechnet in dem (für ihn) nicht vorhandenen Weltrahmen zu agieren, den er mit dem Argument entsorgen können möchte.

Das alleine ist bereits das K.O.-Kriterium, aber zudem sind die „Argumente“ (sollten sie selbst erdacht sein) nicht stichhaltig und in keiner Weise korrekt:

1.
Das „Traumargument“ ist inkonsistent, denn der Begriff „Traum“ ist ein Umstand aus der Interaktion mit/in der Welt. Die Welt lässt uns Traum von Wachheit unterscheiden. Einen „Effekt“ im Umgang mit der Welt als „Grundlage für die Welt“ auszurufen, entlarvt die Hilflosigkeit des Argumentes, denn es ist offensichtlich keinerlei "Aussenansicht" verfügbar. Das "Argument" enthält keinen Mehrwert an Zusammenhängen, sondern setzt auf die Bereitwilligkeit des Zuhörers die "magische Heizdecke" zu kaufen.
2.
Auch wenn es „nur“ um ein Gehirn in einem Tank ginge, oder sagen wir besser um ein Wahrnehmungssystem, das auf Basis simulierter Eingangsdaten abläuft, so muss es dennoch in den Zusammenhängen dieser Eingangsdaten zu einer berechtigten Unterscheidung zwischen Körper, Umwelt, Phantasie und Wahrnehmungsunabhängigkeit kommen.
Da Wahrnehmung/Wahrnehmungssystem nie an Existenz selbst heran kommt, sondern nur auf Basis der Wechselwirkungen zwischen Existenzen, Zusammenhänge aufbaut, ist der Aufbau der Zusammenhänge dennoch korrekt auch wenn der Ursprung simuliert sein sollte (-> auch eine simulierte Maschine muss in der Virtualität erst einmal korrekt funktionieren).
Die Simulation ist genauso wahrnehmungsunabhängig, wie eine reale Welt. Das Wahrnehmungssystem arbeitet also so oder so korrekt.
Zudem gilt, dass auch die Zusammenhänge der simulierten Eingangsdaten nicht im leeren Raum entstehen können, sondern ein Vorbild haben müssen.
=> „Gehirn im Tank“ ist lediglich eine Verlagerung und enthält ansonsten keine weitere Raffinesse
3.
Das falsche Funktionieren der Sinne ist genau wie das Träumen ein Umstand aus der Interaktion mit/in der Welt, wodurch genau das gleiche gilt: man kann nicht einen Effekt in der Welt zur „Grundlage der Welt“ erklären. Wir verstehen „das falsche Funktionieren der Sinne“ ja gerade dadurch, dass es in der Welt zu einer Aufdeckung des Fehlers kommt. Das Argument entlarvt sich (wie 1.) dadurch, dass es keine neuen Blickwinkel auf die Abläufe enthält, was aber für ein Argument dringend notwendig wäre.
4.
Das „Ding an sich“ das wir nicht erkennen können sollen, ist nicht korrekt, denn wir erkennen die Zusammenhänge aus der Wechselwirkung der Existenzen. Wir kommen zwar nicht 1:1 an Existenz heran, sondern nur an die Wechselwirkungen, aber das bedeutet in keiner Weise, dass die Zusammenhänge dieser Wechselwirkung nicht korrekt sind oder die darin festgestellte Wahrnehmungsunabhängigkeit nicht korrekt ist.
5.
„Genius Malignus“ ist ein unsinniger Begriff der nur auf „Gläubige“ wirkt, die der Wahnvorstellung unterliegen, dass allein schon das Latein den Sinn ausmacht. Tatsächlich kann keiner auch nur im Geringsten, Zusammenhänge zu „Genius Malignus“ liefern, was bedeutet, dass keinerlei Wechselwirkungen vorliegen. „Genius Malignus“ ist damit noch nicht einmal „ein Kasper aus der Box“ – es ist das Ausrufen eines Märchens.
6.
Egal welche sonstigen „Argumente“ noch aufgestellt wurden/werden, es wurde/wird eigenartigerweise immer „vergessen“, die alternative Quelle für Zusammenhänge zu liefern.
Wenn die Zusammenhänge nicht aus Wechselwirkungen von Existenzen stammen, woher kommt dann der ganze Spuk und wieso ist ausgerechnet in diesem Spuk die einzige Erklärung enthalten, wie ein Mensch funktioniert?
Wer keine alternative Quelle für Zusammenhänge liefert (die zudem enthalten, warum er ausgerechnet in der nicht-existierenden Welt agiert), arbeitet mit Taschenspielertricks.

closs
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#209 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von closs » Sa 25. Mai 2019, 22:42

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 16:01
Unsinn. Wenn etwas postuliert wird, das grundsätzlich nicht beobachtbar und nachweisbar ist, dann wissen wir ja gerade nicht und können es auch niemals herausfinden, ob es TATSÄCHLICH existiert.
DEINE Aussage ist unterm Strich "Unsinn", weil Du damit die Frage, ob etwas TATSÄCHLICH existierst, davon abhängig machst, ob es beobachtbar und nachweisbar ist. - Ihr Brüder und Schwestern seid derart in Eurem anthropozentrischen Denken gefangen, dass Euch das gar nicht aufzufallen scheint.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 16:01
Die Existenz von etwas anzunehmen, dessen Existenz man grundsätzlich nicht überprüfen kann ist (wissenschaftlich) SINNLOS.
Richtig: WISSENSCHAFTLICH (in DEINEM Wissenschaftsbegriff) sinnlos, aber doch nicht ONTISCH sinnlos. --- Die Frage lautet daher, wie man sich ontisch gut Begründbarem anders nähern kann als mit Wissenschaft in Deiner Definition.

Eine Antwort lautet: Indem man VOR der wissenschaftlichen Untersuchung, die Grundlagen definiert, auf denen man systematisch (= wissenschaftlich) untersucht - konkret: SYSTEMATISCH (= wissenschaftlich) kann man auf der Basis "Jesus ist nur Mensch" genauso intersubjektiv nachvollziehbar argumentieren wie auf der Basis "Jesus ist auch göttlich". - BEIDES läuft unter "Was-wäre-wenn-meine-Vorannahmen-ontisch-richtig-wären" nach folgendem Muster:
1) Beide Vorannahmen sind historisch möglich - Jesus KÖNNTE nur Mensch und KÖNNTE auch göttlich gewesen sein.
2) Eine systematische Untersuchung zeigt, was Text x mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeuten würde, wenn (die nicht-falsifizierbare) Vorannahme x oder eben y richtig wäre.

Thaddäus hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 16:01
Du kannst privat und für dich natürlich gerne jederzeit daran GLAUBEN, dass jenseits des menschlichen Beobachtungshorizontes ein Planet existiert, auf dem Wesen existieren, die closs mental daran hindern, plausible und logische Zusammenhänge zu durchschauen.
Du kannst GLAUBEN, dass Jesus nur Mensch war. - Sorry, Du beschimpfst mich ständig dafür, dass ich einen Schritt VOR Deinem Denken einsteige. Damit kommst ab einer bestimmten Liga nicht durch.

closs
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#210 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen - Teil II

Beitrag von closs » Sa 25. Mai 2019, 22:50

sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 17:24
Ach ja, ich vergaß. Im clossschen Beliebigkeitsuniversum kann eine Aussage ja gleichzeitig wahr und falsch sein.
Es gibt dieses Beliebigkeitsuniversum bei Closs gerade NICHT - aber Du erfindest es, um auf Deinem anthropozentrischen Level zu verweilen.

sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 17:24
Selbst Kubitza bescheinigt der Forschung, einen im großen und ganzen guten Job zu machen.
Das werden Ratzinger und Berger gerne hören.

sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 17:24
closs hat geschrieben: ↑
Sa 25. Mai 2019, 14:16

sven23 hat geschrieben: ↑
Sa 25. Mai 2019, 13:41
Defniere "geistig weiter".

Hier: Wer dem Geist/dem Aussage-Sinn Jesu näher war.

Das ist definitiv die Forschung.
Aber nicht unbedingt die historisch-kritische Froschung, weil deren nicht-spiritueller Ansatz Geistiges nur zitieren, nicht aber zum eigenen Bestandteil machen kann.

sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 17:24
Was ist gegen Correctness einzuwenden, wenn man es nicht übertreibt? Jede Gesellschaft gibt sich Regeln und Normen,ohne die ein Gemeinwesen schwerlich funktionieren kann.
Du solltest wissen, dass DAS nicht mit Political oder Social Correctness gemeint ist. - Am Ende drehst Du es so hin, als könne Korrektheit nichts Schlechtes sein. :lol:

sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 17:28
Aber doch erst, als man erkennen musste, dass Jesus sich geirrt hat.
Nein - es geht doch gerade darum, dass Jesus es so gemeint hat, dass er sich NICHT geirrt hat.

sven23 hat geschrieben:
Sa 25. Mai 2019, 17:28
Für die Authentizität der Naherwartung spricht doch gerade, dass sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen hat, sie hätte schwerlich erfunden werden können.
:roll: :roll: :roll: :roll: - Du bist ein wandelnder Zirkelschluss. ---- Du setzt, dass es ein Irrtum war und ziehst daraus Schlussfolgerungen - es geht aber gerade darum, OB er sich geirrt hat. - Er hat sich dann NICHT geirrt, wenn er etwas anderes gemeint hat, als die Jünger anfangs verstanden haben.

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