Rationalität und christlicher Glaube

Rund um Bibel und Glaube
Abischai
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#21 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von Abischai » Mi 7. Mär 2018, 20:06

Ich verstehe die Notwendigkeit der Trennung von Rationalität und Glauben nicht.

Ich nehme eine Aussage (der Bibel) auf, und lasse sie stehen. Ich versuche ferner sie zu verstehen (rational). Das gelingt oft nicht. Also lasse ich sie weiter so stehen. Irgendwann fallen mir Parallelen zu anderen Stellen auf, und mir geht das Prinzip auf, was beide verbindet.

Ob das dann ein rationaler Erfolg meines Denkens ist, oder ob Gott mir das offenbart hat, weiß ich nicht, die Frage stelle ich gar nicht. Wichtig ist, daß ich plötzlich weiß was es bedeutet (partiell auf jeden Fall) und was es vielleicht sogar allgemeingültig bedeutet. Das berede ich dann mit Geschwistern, es wird "beurteilt".

Viele Dinge, die ein effektiv "glaubender" Christ früher einfach nur geglaubt hat und sich nicht daran gestoßen hat - nur Ungläubige stoßen sich daran - haben sich im Nachhinein als rational deutlich erkennbar und nachvollziehbare Fakten herausgestellt. Sie sind nicht nun plötzlich wahr, das waren sie zuvor auch, nur können es jetzt auch Menschen ansatzweise begreifen, die keinen Zugang zur Offenbarung Gottes haben, weil sie den Geist Gottes nicht empfangen haben.
(das dürfte in etwa das sein, was Helmuth meint)
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

Helmuth
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#22 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von Helmuth » Mi 7. Mär 2018, 23:00

Abischai hat geschrieben: Ob das dann ein rationaler Erfolg meines Denkens ist, oder ob Gott mir das offenbart hat, weiß ich nicht, die Frage stelle ich gar nicht.
Ich meine alle Erkenntnis kommt letztendlich durch Offenbarung. Rationales Denken ist dabei in erster Linie zur Prüfung da.

Abischai hat geschrieben: Wichtig ist, daß ich plötzlich weiß was es bedeutet (partiell auf jeden Fall) und was es vielleicht sogar allgemeingültig bedeutet. Das berede ich dann mit Geschwistern, es wird "beurteilt".
Genau das nenne ich das Wesen von Offenbarung. Die Geschwister oder Gott selbst bestätigen die Offenbarung. Erfolgt diese nicht, hast du dir nur etwas eingebildet, d.h. es war keine Offenbarung.

Im Israel suchte sich Gott zur Führung des Volkes persönlich Propheten aus. Diese weissagten im Namen des Herrn. Gott redete hier direkt. Sie erhielten dazu die Bestätiung. Mit der Zeit lernten die Propheten wie die Stimmes des Herrn ist. So offenbarte sich Gott.

Im NT ist es etwas anders. Der Geist wurde über alles Fleisch ausgegossen. Heute weissagt jeder, der "im Sohn" ist, sprich auch den HG hat. Jetzt ist es wichtig dass Stück für Stück zusammengetragen wird. Daher --> Prüfung. Nicht ein Einzlener hat die gesamte Autorität in sich vereint. Alle weissagen und tragen zum Wohl des Leibes bei.

Genau hier kommt das rationale Denken ins Spiel. Wer den HG hat wird erkennen was vom Herrn ist und was nicht. Dabei schenket Gott ein Stück Offenbarung deim einen, ein anderes Stück einem anderen. Gott legt Wert auf einen inneren Zusammenhalt in Liebe und lässt den ganzen Leib zusammenwirken. Darum ist Erkenntnis auch Stückwerk. 1. Korinther 13.12

Gott wollte aber schon im AT, das das gesamte Volk als Leib zusammenwirkt, aber die Mehrheit des Volkes hatte nicht den HG, das war das Grundübel. Darum musste er immer autoritär eingreifen. In der Gemeinde, die ja schon aus den Ungläubigen herausgerufen ist, erwartet Gott, dass alle den HG haben. Ok, so die graue Theorie. Wir kennen auch die andere Praxis. :cry:

Rationales Denken fuktionert durch den HG richtig. Man kann das mit einem guten Motoröl vergleichen, das dafür sogt, dass alles rund und perfekt läuft. Die Drehzahl passt, die Temperatur stimmt. Am Gaspedal sitzt der Herr. Dreckiges Altöl zerstört den Motor und die Vebennungsrückstände stinken.

So erkärt es Paulus auch in Epheser 4.16. Zur noch besseren Illustrierung benutzt er den Vergleich mit dem natürlichen Leib. Siehe auch 1. Korinther 12.

Der HG schafft Einheit in Liebe und dazu trägt jeder mit seiner Gabe bei. Wer den HG nicht hat, der denkt zwar auch rational, aber nicht geistlich. Er zerteilt den Leib wieder, d.h. er ist sektiererisch und spaltet die Einheit.
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

closs
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#23 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von closs » Mi 7. Mär 2018, 23:42

ThomasM hat geschrieben:Rationalität und christlicher Glaube
Als Vertreter der Philologie, zu der auch die Sprachwissenschaften und die Philosophie gehören, wäre meine erste Frage, wie "Rationalität" überhaupt semantisch ("Bedeutungslehre") zu verstehen ist. - bei wik steht:
"Mit Rationalität (von lateinisch rationalitas ‚Denkvermögen‘, abgeleitet von ratio ‚Berechnung‘, ‚Vernunft‘, ,Verstand', auch ‚Verhältnis‘, ‚(logischer) Grund‘, ‚Rechtfertigungsgrund‘, ‚Begründung‘) wird ein vernunftgeleitetes ... Denken und Handeln bezeichnet".

Das führt nicht sehr weiter, wenn man nicht definiert hat, was "Vernunft" sein soll. - Dazu steht bei wik:
"Der Begriff der Vernunft in seiner modernen Verwendung umfasst das Vermögen menschlichen Denkens, aus den im Verstand durch Beobachtung und Erfahrung erfassten Sachverhalten allgemein gültige Zusammenhänge der Wirklichkeit erschließen zu können durch Schlussfolgerungen, deren Bedeutung zu erkennen, Regeln und Prinzipien aufzustellen und danach zu handeln".

Das führt ebenfalls nicht sehr weiter, wenn man nicht definiert hat, was "Wirklichkeit" sein soll. - Dazu steht bei wik:
"Mit dem Begriff Wirklichkeit wird all das beschrieben, was der Fall ist. Gegenbegriffe zur Wirklichkeit sind Schein, Traum oder Phantasie".

Was "ist der Fall"? - Das, was man als der Fall seiend nachweisen kann (methodische Wirklichkeit), oder das, was "ist", ob wir es methodisch nachweisen können oder nicht? (ontische Wirklichkeit)- Darauf gibt wik keine Antwort.

Stoppen wir hier erst mal und werden mit folgender Frage praktisch:
Wenn es Gott als Entität gibt, ob wir ihn methodisch nachweisen können oder nicht: Kann er dann "un-wirklich", "un-vernünftig" und "un-rational" sein? - Insofern würde ich die Frage, wie Rationalität und christlicher Glaube zueinander stehen, beantworten mit:
"Falls es Gott als Entität gibt, ist christlicher Glaube hoch-rational".

Novas
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#24 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von Novas » Do 8. Mär 2018, 06:02

closs hat geschrieben:Stoppen wir hier erst mal und werden mit folgender Frage praktisch: Wenn es Gott als Entität gibt, ob wir ihn methodisch nachweisen können oder nicht: Kann er dann "un-wirklich", "un-vernünftig" und "un-rational" sein? - Insofern würde ich die Frage, wie Rationalität und christlicher Glaube zueinander stehen, beantworten mit:
"Falls es Gott als Entität gibt, ist christlicher Glaube hoch-rational".

Viele moderne Menschen verstehen die Wissenschaft als Befreiung von den Irrationalitäten des Glaubens. Allerdings glauben alle Menschen an etwas, der Glaube ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Bewusstseins, eine psychologische Notwendigkeit, die Frage ist nur, welche Glaubensrichtungen- und Vorstellungen sinnvoller sind als andere. Der Glaube an die Wissenschaft ist sicher ein rationaler Glaube, denn sie funktioniert. Menschen wie Richard Dawkins („The God delusion“, dt.: „Der Gotteswahn“) oder Christopher Hitchens („Der Herr ist kein Hirte“) berufen sich darauf und stellen Religion prinzipiell unter Obskurantismusverdacht, denn das, was der Mensch wirklich wissen und deshalb auch mit Recht als Wahrheit verteidigen kann, wird von den Wissenschaften definiert.

Wenn wir uns in ihre Gedankenwelt für einen Moment hinein versetzen, dann erscheint der religiöse Glaube als das Relikt einer prärationalen Phase der menschlichen Evolution, die der moderne Mensch von sich abgeschüttelt hat. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn es gibt auch rationale oder sogar transrationale (mystische) Religionsformen, welche die Rationalität integrieren. Das könnten wir holistische (ganzheitliche) Religion nennen. Der Ansatzpunkt jeder Religion ist die Idee, dass die Wirklichkeit, die wir mit unsren Sinnen wahrnehmen, nur ein kleiner Teil von dem ist, was wirklich existiert, und dass es noch viele andere Welten, Dimensionen und Existenzebenen gibt (so sagte es ein jüdischer Rabbi: Wie ein Rabbi für den Glauben argumentiert) es gibt zweifellos rationale Argumente für den Gottesglauben. Für die glaubenden und denkenden Menschen aller Zeiten war es absolut einleuchtend und naheliegend, dass alles, was zu existieren beginnt, eine Ursache haben muss. Die letzte Ursache in einer Ursachenkette kann jedoch nur etwas sein, das selbst nicht verursacht ist und sich außerhalb von Raum und Zeit befindet. Diese erste Ursache (prima causa), das ewige, uranfängliche Sein, auf das alles Seiende zurückgeht, nennt der religiöse Mensch Gott. Aristoteles spricht in seiner Metaphysik von einem „ersten unbewegten Bewegenden“ (altgriechisch πρῶτον κινοῦν ἀκίνητον, prôton kinoun akinêton)

In der Offenbarung des Johannes (Kap. 22,13) wird der erhöhte Jesus Christus als „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ beschrieben. Doch das kann nur geglaubt werden. Auf rein rationalem Wege können wir zu der Schlussfolgerung des Aristoteles kommen (es muss eine prima causa geben) aber selbst der größte und genialste Philosoph kann uns nicht sagen, was oder wer diese ist. Dazu benötigt der Mensch eine „Selbstoffenbarung Gottes“, welche dem Menschen Einblicke in sein Wesen eröffnet. Den Erkenntnisprozess des Menschen so rational wie möglich zu gestalten, das ist der Zweck der Philosophie und Naturwissenschaft, aber eine Offenbarung übersteigt die Rationalität. Paulus auf dem Areopag überbringt sozusagen den griechischen Philosophen die Offenbarung (Apg 17) des lebendigen Gottes, den sie aus ihrer eigenen Philosophie nicht ableiten können.

Da stellte sich Paulus vor alle, die auf dem Areopag versammelt waren, und rief: „Athener! Mir ist aufgefallen, dass ihr euren Göttern mit großer Hingabe dient; denn ich habe in eurer Stadt viele Heiligtümer gesehen. Auf einem Altar stand: ‚Dem unbekannten Gott.‘ Von diesem Gott, den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, spreche ich. Es ist der Gott, der die Welt und alles, was in ihr ist, geschaffen hat. Dieser Herr des Himmels und der Erde wohnt nicht in Tempeln, die Menschen gebaut haben. Er braucht auch nicht die Hilfe und Unterstützung irgendeines Menschen. Sie sollen ihn spüren und finden können. Und wirklich, er ist jedem von uns ja so nahe! Durch ihn allein leben und handeln wir, ja, ihm verdanken wir alles, was wir sind.

Paulus scheint geglaubt zu haben, dass die griechische Philosophie und ihre tiefe Empfindsamkeit für das Sakrale, ihre Wertschätzung und Verehrung des Wahren, Schönen und Guten, eine Vorbereitung auf das Christentum war: Von diesem Gott, den ihr verehrt (oder erahnt), ohne ihn zu kennen, spreche ich. Rationalität ist also nicht der Feind der Offenbarung, sondern eine Vorbereitung und ein Instrument, um sie in ihrer Bedeutung identifizieren und durchdenken zu können.

"Gott hat für intellektuelle Drückeberger genauso wenig übrig wie für alle anderen Drückeberger. Wer Christ werden will, der sei gewarnt. Er lässt sich damit auf etwas ein, was den ganzen Menschen fordert, seinen Verstand und alles andere."

~ C.S. Lewis

closs
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#25 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von closs » Do 8. Mär 2018, 07:38

Novalis hat geschrieben:Paulus scheint geglaubt zu haben, dass die griechische Philosophie und ihre tiefe Empfindsamkeit für das Sakrale, ihre Wertschätzung und Verehrung des Wahren, Schönen und Guten, eine Vorbereitung auf das Christentum war: Von diesem Gott, den ihr verehrt (oder erahnt), ohne ihn zu kennen, spreche ich. Rationalität ist also nicht der Feind der Offenbarung, sondern eine Vorbereitung und ein Instrument, um sie in ihrer Bedeutung identifizieren und durchdenken zu können.
Da hat Paulus etwas gemeinsam mit Kant - im Kontext zu Kant sagt F. Bouterwek:

"Aber wo doch das historische Wissen an die Stelle des philosophischen eindrängt und sich wohl gar als das das einzige gründliche und brauchbare Wissen geltend machen will, da geht der Verstand, bei aller Schein-Kultur, zurück" (F. Bouterwek)
"Kant ist endlich unter allen Philosophen der erste, der den religiösen Glauben als die letzte Tendenz der Vernunft selbst aus der moralischen Richtung des menschlichen Geistes systematisch zu deduzieren und in das System der Philosophie einzuführen versucht hat" (F. Bouterwek)


Und Schelling setzt noch einen drauf, in dem er Kant lobt, "weil er den Mut und die Aufrichtigkeit hatte, auszusprechen, dass Gott ... nicht die bloße Idee, sondern das Ideal der Vernunft sei" (F.Schelling).

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Detlef
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#26 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von Detlef » Do 8. Mär 2018, 07:44

closs hat geschrieben:Stoppen wir hier erst mal und werden mit folgender Frage praktisch:
Wenn es Gott als Entität gibt, ob wir ihn methodisch nachweisen können oder nicht: Kann er dann "un-wirklich", "un-vernünftig" und "un-rational" sein? - Insofern würde ich die Frage, wie Rationalität und christlicher Glaube zueinander stehen, beantworten mit: "Falls es Gott als Entität gibt, ist christlicher Glaube hoch-rational".
Dein "praktisch werden" demonstriert aber nur: "Wie bringt man in eine setzungslose Ausgangslage eine Setzung!" ;)
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

Helmuth
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#27 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von Helmuth » Do 8. Mär 2018, 09:05

closs hat geschrieben: "Falls es Gott als Entität gibt, ist christlicher Glaube hoch-rational".
Das ist eigentlich meine Ausgangsbasis. Wer das in Frage stellt, argumentiert nicht aus der Perspektive Gottes mit. Er kann es tun, das steht ihm hier ja gnädigerweise frei, aber er liefert für uns, die wir gläubig sind, kaum nutzbringende Ergebnisse. Ich dachte wir wären damit in der Diskussion schon weiter vorangeschritten.

Warum das Reset?
Sind wir zu scharf vorangeritten? :)
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
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closs
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#28 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von closs » Do 8. Mär 2018, 09:22

Detlef hat geschrieben:Dein "praktisch werden" demonstriert aber nur: "Wie bringt man in eine setzungslose Ausgangslage eine Setzung!"
Es GIBT keine setzunglosen Ausgangslagen. - Oder hättest Du einen Vorschlag?

Helmuth hat geschrieben:Ich dachte wir wären damit in der Diskussion schon weiter vorangeschritten.
Du kannst nicht erwarten, dass jemand, der Gott in Frage stellt, aus dessen Perspektive argumentiert. - Deshalb an solche Jemands meinerseits das Angebot: "Ersetze 'Gott' durch 'Das, was der Fall ist' - also was nicht aus menschlichem Maßstab argumentiert, sondern aus dem, was der Fall ist, ob wir es kennen oder nicht".

Das führt dann zur Frage: Ist "Rationalität" eine menschen-maßstäbliche Größe oder eine universelle Größe? - An der Antwort auf diese Frage entscheidet sich die Antwort auf die Thread-Frage. - Denn wenn "Rationalität" menschen-maßstäblich ist, ist Glaube NICHT rational, aber auch nicht universell - ist "Rationalität" dagegen 'das-was-der-Fall-ist"-maßstäblich, ist Glaube an Gott rational, WENN der Glaube sich auf etwas bezieht, "was der Fall ist". - Aber das WEISS man ja nicht, sonst würde man es nicht "Glaube" nennen.

Mit anderen Worten: Was ist "Rationalität"? Das, was wir darunter verstehen (universell, also göttlich) oder was der säkulare Mensch darunter versteht (menschen-maßstäblich)?

ThomasM
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#29 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von ThomasM » Do 8. Mär 2018, 09:41

Helmuth hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Warum fühlst du dich gezwungen, das Denkmodell "Dämonen" zu benutzen?
Dämonie auf ein Denkmodell zu reduzieren bedeutet, man hat die Existenz dieser Geister entweder noch nicht erkannt oder sie bislang als solche noch nicht wahrgenommen. Dann sucht man nach anderen Ursachen und kreiert „Modelle“. Anders Jesus. Er lehrt nicht nur darüber er hat auch Vollmacht darüber. Er denkt sich das also nicht aus und daher sollten wir seine Worte dazu derart auch ernst nehmen, um daraus zu lernen.
Wenn du meinst, du würdest keine Modelle machen, irrst du dich, Helmuth.

Ich benutze das Wort Modelle, um nicht in alte Diskussionszyklen zu kommen, aber das biblische Wort dafür ist "Bild".
Du machst dir ein Bild von Gott und du machst dir ein Bild von Dämonen, ganz automatisch, allein aufgrund deiner kulturellen und kindlichen Prägung. Allein, wenn du das Wort "Dämon" benutzt, rutschst du in Bilder, die du im Verlauf deines Lebens aufgesogen hast. Das passiert übrigens auch, wenn du das Wort "Geist" verwendest.
Und die Bilder, die in unserer Zeit und in unserem kulturellen Raum üblich sind, entsprechen dem, was wir in Filmen wie Caspar oder Pumuckl sehen, irgendwelche flüchtigen, halb durchsichtigen Entitäten, die denken und handeln und irgendwelche magischen Einflüsse auf uns haben. Solchen Bildern entgehst du nicht, denn sie stecken tief in dir drin.

Aber eines ist absolut sicher. Deine Bilder sind nicht die der Menschen vor 2000 Jahren. Und auch nicht die Bilder, die Jesus verwendet hat. Das heißt aber, dass es nicht genügt, einfach nur die Worte von Jesus zu wiederholen, man muss sich auch Gedanken darüber machen, was hinter den Worten steht.
In der heutigen Zeit könnte man vielleicht nach wie vor von Dämonen sprechen, aber um zu verhindern, dass man in alte Bilder hineinrutscht, ist es vielleicht ratsam, andere Worte zu verwenden. Ich spreche daher lieber von "dämonischen Kräften", denn das impliziert nicht automatisch die Personifizierung des Wortes "Dämon". Denn auf die Personifizierung kommt es gar nicht an, über "Geistwesen" zu diskutieren ist eigentlich frucht- und sinnlos. Es kommt darauf an, was diese Kräfte mit Menschen machen, es kommt genau auf die - dann sichtbar und messbaren - Auswirkungen auf das Denken, Leben und Fühlen von Menschen.

Das ist es, was ich unter Rationalität verstehe. Man denkt darüber nach, was man mit den Worten meint, die man aus der Bibel wiederholt oder in der Bibelstunde auswendig gelernt hat.
Vielleicht ist auch genau das das Problem, was viele Christen mit Rationalität haben. Denn das Nachdenken führt zu Nachfragen, die man mit "unchristlich", "böse" oder "gottlos" abwehrt, damit man sich nicht die Mühe machen muss, Antworten zu finden. Das ist zumindest das, was ich oft erfahren habe.

Helmuth hat geschrieben: Wenn also Jesus so damit umgeht, können wir das nicht mir nix dir nix auf wissenschaftliche Methodiken und reine Krankheitsbilder beschränken. Genau das macht der natürlich denkende Mensch. Er denkt ohne Gott miteinzubeziehen. Die ganze Wissenschaft arbeitet so. Wissenschaftlich zündenden ist von vornherein nicht falsch, bloß unzureichend, wenn ohne Gott.
Heißt das, dass man alle Wissenschaft wegwerfen muss, wenn man Gott einbezieht?
Ich kenne genug Christen (Stichwort Kreationismus), die genau das machen.

Helmuth hat geschrieben: Wir verdanken der modernen Medizin viel, aber wir haben unsu auf sie bereits mehr verlassen als auf Gott. Das ist ein Kardinalfehker. Denn gerade im Bereich Diagnostik tappt sie mehr im Dunkeln, als sie zugeben würde. Sie ist stark in der Symtombekämpfung, aber schwach in der Ursachenbehebung. Das eine wäre ihr Bereich, dass andere sollte sie aber Gott überlassen.
Die Christen, die ich kenne sind froh über die Diagnostik, die es gibt und froh über die Behandlungsmöglichkeiten.
Ihnen ist klar, dass Gott nicht will, dass wir uns nur hinsetzen und beten, sondern neben dem Beten auch zu einem Arzt gehen.

Helmuth hat geschrieben: Jesus nicht. Mehrere Heilungen werden uns als eine Austreibung von Dämonen beschrieben.
Ich habe nun begonnen diese Realität anzunehmen und mich darin ausbilden zu lassen.
Wenn die Methoden analog zu denen sind, die in der Psychologie auch verwendet werden (Gesprächstherapie, Lerntherapie, Maltherapie usw.) dann habe ich nichts dagegen. Eine Frau in unserer Gemeinde ist Theologin und Therapeutin. Sie weiß, was dämonische Kräfte anrichten können.
Aber sie hat mir gegenüber betont, wie vorsichtig man mit den altertümlichen oder gar volkstümlichen Methoden der "Teufelsaustreibung" sein muss, wie viel Schindluder damit getrieben wurde und getrieben wird und wie wichtig es ist, eine ganz ordinäre - nicht christliche - Therapeutenausbildung zu haben.
Sonst richtet man mehr Schaden an als Nutzen (bis hin zu Mord, was durchaus schon vorgekommen ist)
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

ThomasM
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#30 Re: Rationalität und christlicher Glaube

Beitrag von ThomasM » Do 8. Mär 2018, 09:45

closs hat geschrieben: Du kannst nicht erwarten, dass jemand, der Gott in Frage stellt, aus dessen Perspektive argumentiert. - Deshalb an solche Jemands meinerseits das Angebot: "Ersetze 'Gott' durch 'Das, was der Fall ist' - also was nicht aus menschlichem Maßstab argumentiert, sondern aus dem, was der Fall ist, ob wir
Nun, ich habe den Titel des threads extra für diese Perspektive gewählt.
Mein Ziel war eigentlich nicht, grundsätzlich über das Phänomen von Rationalität zu diskutieren, sondern speziell die christliche Sichtweise herauszuarbeiten, was die Voraussetzung mit sich bringt, dass Gott existiert und wirkt, so wie Christen das glauben.

Und die Frage ergibt sich, weil es viele Christen gibt, die Rationalität als etwas Unchristliches ansehen und davon Abstand nehmen wollen. Diese Tendenzen sehe ich auch und gerade bei Helmuth.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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