Hallo allerseits,
Pluto hat geschrieben:Münek hat geschrieben:closs hat geschrieben:
einige haben sich hier also schon eingefunden - prima.
Bitte versteht mich nicht falsch, aber das Thema des Threads ist vorrangig der Ausgangsfrage der Theodizee gewidmet, um jene Artikulation (Definition) zu untersuchen, wie sie bislang tradiert worden ist - siehe meinen Eröffnungsbeitrag.
Die Theodizee versucht einen Zwiespalt zu ergründen, der unsere Welt zu entzweien scheint und vermutlich alle religiösen Menschen anspricht. Nämlich: Wie lassen sich die Grundübel erklären, wenn unsere Welt einer göttlichen Schöpfung entsprungen ist, dessen Ordnung und Urgrund das Gute ist?
Wie kann dieser Gott, dem wir diese Schöpfung zuschreiben, all das Leid zulassen, wenn er doch allmächtig ist - (etc.) ...
Die Theodizee versucht diesen Zwiespalt auf systematische Weise zu ergründen. Es gab bereits im Urchristentum, Christen, Philosophen und Gelehrte, die diese Problematik in ein sprachliche Form zu bringen suchten (siehe oben).
Dieser Thread möchte genau diese (tradierten) Grundprämissen erörtern und sich NICHT in Beispielen verlieren, um jedes Übel zu besprechen. Daß es schreckliche Vorkommnisse gab, das ist unbestritten, ob es sich um das Massaker am Wounded Knee, Sklavenhandel, unheilige Inquisitionen der kath. Kirche, Drogenkriege, Kinderarbeit, Kastensysteme oder Landnahme in Palästina handelt, diese Fallbeispiele bilden nicht das vordergründige Thema.
Dieser Thread versteht sich auch nicht als neue Sammelstätte für Harry Potter Befürworter oder Gegner, sondern möchte eine Grundlage bieten, wo Interessierte in einen Austausch kommen können, die etwas zur Sache beitragen können/möchten.
In dieser Hinsicht scheinen mir die Gedanken von closs eine sinnvolle Anknüpfung zu sein - Danke dafür.
closs hat geschrieben: Warum nimmt Gott Leid (das ist wohl der Begriff, der hinter "Übel" steht) nicht weg, das in der Welt ist? - Dazu müsste man Fragen: Was IST eigentlich Leid? - Und dazu gibt es sehr wohl Antworten, die allerdings nicht sehr modern sind.
Diese Antworten berufen sich darauf, dass die Trennung des Menschen von Gott (...) zu Spannung führt, die sich in Leid ausdrückt - Leid als Indikator für etwas, was nicht in Ordnung ist.
Warum gibt es diese Welt dann überhaupt? Auch da gibt es eine kurze Antwort, hinter der aber möglicherweise viel Erklärungsarbeit steckt: Weil der Mensch sich nur in einem dialektischen Raum (= vom Wesen her unheilen Raum) entwickeln kann.
Ja, dieser Ansatz ist mir bekannt. Entsprechende Thesen gab/gibt es spätestens seit der Gnosis, die dann im Verlauf der Menschheitsgeschichte von diversen Strömungen auf unterschiedliche Weisen aufbereitet wurden. Die Idee, Mensch und Schöpfung seien einer Entwicklung unterworfen, ist nicht nur eine Grundthese der modernen Wissenschaft, siehe Evolutionslehre, sondern wurde/wird auch von philosophisch-religiösen Bewegungen vertreten.
closs hat geschrieben: Warum sollte sich der Mensch überhaupt entwickeln? - Hier wäre eine kurze Antwort: Weil Gott bewusst erkannt werden will, was durch den Adam des Paradieses nicht möglich sein konnte - denn es geht nur dann, wenn "sich die Augen klären", was exakt die Folge des "Sündenfalls" ist, also danach. - Also ohne "Sündenfall" keine Bewusstseins-Entwicklung zu Gott hin.
Diese Art der Darstellung findet man zb. in der Theosophie, Antroposophie, aber auch in Strömungen des New Age. Der große Unterschied zu den aufgeklärten Naturwissenschaften ist der, daß diese Bewegungen keine rein materialistische Anschauung vertreten, sondern von einem spirituellen Urgrund ausgehen, von geistigen Wirkmächten, die für Licht und Schatten stehen.
Besagte Lehren gehen davon aus, daß Gott eine Welt begründen mußte, in der zwei Pole (gut und böse) vorkommen, damit überhaupt eine Entwicklung stattfinden konnte/kann, in der der Mensch einen geeigneten Raum vorfände, um sich freiheitlich zu entwickeln - dies ist jener dialektische Prozess von dem closs spricht, meine ich.
http://www.bibelwissenschaft.de/fileadm ... enfall.jpg
In diesen Kreisen geht man davon aus, daß das Prinzip des Bösen die eigentliche Grundlage für unsere Freiheit bildet, mit der Begründung, daß ein Geschöpf keine Freiheit ausbilden könnte, wenn es selbst und die Welt eins und gut wären. Sprich, jedes Geschöpf wäre dann zwar "Gott" ergeben, aber nur darum, weil es keine Wahlmöglichkeit hätte. Diese Option sei erst durch den dialektischen Raum gegeben, wo eben auch eine Opposition zum Guten gegeben sei.
Man findet solche Hinweise auch in der Bibel, wo es zb. heißt:
44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? 48 Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. Mt 5:44 (ff)
Ob man solche Anschauung teilt, das zb. könnte eine thematisch sinnvolle Anknüpfung sein - siehe
closs hat geschrieben: Die nächste Frage wäre, was dies für den Einzelnen bedeutet - aber eins nach dem anderen.
Grüße
fin