Ausgangsfrage/n der Theodizee

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fin
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#1 Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von fin » Di 8. Nov 2016, 18:26

-- Ausgangsfrage/n der Theodizee --

Inspiration für diese Eröffnung ist der vorhandene Thread Theodizee. Da dortige Gesprächsverläufe bereits festgefügte Bahnen eingeschlagen haben, sehe ich diesen Thread als Ergänzung, um sich allein der Ausgangsfrage der Theodizee zu widmen.

Die Beschreibung der Grundroblemtik ist der Wikipediaseite zur Theodizee entommen:

Die Grundproblematik besagt:

Eine prägnante, oft zitierte christlich-philosophische Formulierung der Theodizee lautet:

Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg
?
Quelle: Lactantius

Möglicherweise beschreiben die Grundannahmen des damaligen Apologeten und Thetoriklehrers Lactantius nicht den vollständige Rahmen, so daß alle, die auf diese Darstellung zurückgreifen, die Grundproblemtik (Rahmen) nur unvollständig erfassen, da maßgebliche Variablen fehlen, sprich, nicht einbezogen worden sind.

Folgerichtig führen alle weiteren Überlegungen, die auf besagte Darstellung zurückgreifen, zu Scheinlösungen, da sie Widersprüche enthalten, die sich nicht auflösen lassen. Siehe (ebenfalls der Wikipedia Seite entnommen)

1. Gott existiert und es gibt Übel in der Welt.
2. Wenn Gott existiert, dann ist Gott allmächtig.
3. Wenn Gott allmächtig ist, dann kann Gott das Übel verhindern.
4. Wenn das Übel existiert, dann kann Gott das Übel nicht verhindern.
5. Wenn Gott existiert und das Übel existiert, dann kann Gott das Übel verhindern und nicht verhindern. (Widerspruch)
6. Oder: Gott existiert nicht.

Ich meine, sobald die fehlenden Variablen erkannt und in Betracht gezogen worden sind, läßt sich auch die Frage nach dem Übel erklären. Besagte Variablen (Prämissen), die - meiner Ansicht nach - nicht berücksichtigt worden sind, möchte ich zunächst nicht aufführen, da mein ausgesprochener Verweis bereits Impuls genug sein könnte, die Grundproblematik der Theodizee zu überdenken, so wie sie bislang (siehe oben) tradiert worden ist.

Hierzu sind alle eingeladen, die sich thematisch angesprochen fühlen.

Grüße
fin

Pluto
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#2 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von Pluto » Di 8. Nov 2016, 19:01

fin hat geschrieben:Ich meine, sobald die fehlenden Variablen erkannt und in Betracht gezogen worden sind, läßt sich auch die Frage nach dem Übel erklären.
Genau das würde mich aber ganz besonders interessieren.
Was ist die christliche Antwort auf den Ursprung der Theodizee? Wie kann man z.B. die Frage beantworten, "Wo war Gott in Ausschwitz?"
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Münek
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#3 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von Münek » Di 8. Nov 2016, 21:42

Pluto hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Ich meine, sobald die fehlenden Variablen erkannt und in Betracht gezogen worden sind, läßt sich auch die Frage nach dem Übel erklären.
Genau das würde mich aber ganz besonders interessieren.
Was ist die christliche Antwort auf den Ursprung der Theodizee? Wie kann man z.B. die Frage beantworten, "Wo war Gott in Ausschwitz?"
Möglicherweise hat er da gerade in der Andromeda-Galaxie nach dem Rechten geschaut. Die von Gott erschaffene Welt ist unendlich groß. Er kann sich schließlich nicht um alles kümmern. Es gibt ja nicht nur den Planeten Erde.

closs
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#4 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von closs » Mi 9. Nov 2016, 00:19

fin hat geschrieben:Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Das ist aus meiner Sicht der richtige Ansatz.

Warum nimmt Gott Leid (das ist wohl der Begriff, der hinter "Übel" steht) nicht weg, das in der Welt ist? - Dazu müsste man Fragen: Was IST eigentlich Leid? - Und dazu gibt es sehr wohl Antworten, die allerdings nicht sehr modern sind.

Diese Antworten berufen sich darauf, dass die Trennung des Menschen von Gott (egal, ob dies notwendiger Plan A ist oder eine Panne, die zu Plan B führt) zu Spannung führt, die sich in Leid ausdrückt - Leid als Indikator für etwas, was nicht in Ordnung ist.

Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Leidender am Leid (im heutigen Verständnis) "schuld ist", sondern dass Leid eine universale Größe dessen ist, dass etwas nicht in Ordnung ist ("Erbsünde"). - In diesem Sinne ist unsere Welt eine prinzipiell unheile Welt.

Warum gibt es diese Welt dann überhaupt? Auch da gibt es eine kurze Antwort, hinter der aber möglicherweise viel Erklärungsarbeit steckt: Weil der Mensch sich nur in einem dialektischen Raum (= vom Wesen her unheilen Raum) entwickeln kann.

Warum sollte sich der Mensch überhaupt entwickeln? - Hier wäre eine kurze Antwort: Weil Gott bewusst erkannt werden will, was durch den Adam des Paradieses nicht möglich sein konnte - denn es geht nur dann, wenn "sich die Augen klären", was exakt die Folge des "Sündenfalls" ist, also danach. - Also ohne "Sündenfall" keine Bewusstseins-Entwicklung zu Gott hin. - Aber eben auch: "Sündenfall" = unheile Welt = Leid-Welt.

Die nächste Frage wäre, was dies für den Einzelnen bedeutet - aber eins nach dem anderen.

Pluto hat geschrieben:, "Wo war Gott in Ausschwitz?"
Am Kreuz. - Auch das sollten wir nach und nach vertiefen.

2Lena
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#5 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von 2Lena » Mi 9. Nov 2016, 08:54

Pluto hat geschrieben:Was ist die christliche Antwort auf den Ursprung der Theodizee? Wie kann man z.B. die Frage beantworten, "Wo war Gott in Ausschwitz?"
Müsstest du vielleicht gar ebenso "Harry Potter" lesen, um aus den Klauen der sinnlosen und verfänglichen "Philosophiefragen" herauszukommen?

Pluto
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#6 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von Pluto » Mi 9. Nov 2016, 09:48

2Lena hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist die christliche Antwort auf den Ursprung der Theodizee? Wie kann man z.B. die Frage beantworten, "Wo war Gott in Ausschwitz?"
Müsstest du vielleicht gar ebenso "Harry Potter" lesen, um aus den Klauen der sinnlosen und verfänglichen "Philosophiefragen" herauszukommen?
Im Märchen ist immer "Happy End".
Aber warum ist die Theodizee eine verfängliche Philosophiefrage?
Es ist eine für alle die dabei waren, eine sehr reale Frage, die einen vom Glauben an einen barmherzigen Gottesbild entfernt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Ziska_Deleted

#7 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von Ziska_Deleted » Mi 9. Nov 2016, 09:52

2Lena hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist die christliche Antwort auf den Ursprung der Theodizee? Wie kann man z.B. die Frage beantworten, "Wo war Gott in Ausschwitz?"
Müsstest du vielleicht gar ebenso "Harry Potter" lesen, um aus den Klauen der sinnlosen und verfänglichen "Philosophiefragen" herauszukommen?

Naklar.... :x Sollen wir uns jetzt mit Hexen, Dämonen und dem ganzen okkulten befassen,
um Antworten zu erhalten!? :thumbdown:

Es reicht, sich mit Gottes Wort der Bibel zu befassen, um sich von unnützen und wertlosen philosophischen Gedanken zu befreien.
Denn dazu ist die Bibel da! Darum gab uns Gott die Bibel!

Leider gehörst du zu denen, die das Wort Gottes so dermaßen in Stücke zerfleddern, das nichts mehr übrig bleibt, als nur leeres Gerede....

Und dann noch den Rat geben, bzw. die Leser auf Harry Potter hinweisen... :sick:

Pluto
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#8 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von Pluto » Mi 9. Nov 2016, 12:47

Ziska hat geschrieben:Naklar.... :x Sollen wir uns jetzt mit Hexen, Dämonen und dem ganzen okkulten befassen,
um Antworten zu erhalten!? :thumbdown:
Damit befasst sich doch die Bibel auch!
(Ich erinnere an die von Jesus praktizierte Dämonenaustreibung.)

Ziska hat geschrieben:Es reicht, sich mit Gottes Wort der Bibel zu befassen, um sich von unnützen und wertlosen philosophischen Gedanken zu befreien.
Denn dazu ist die Bibel da! Darum gab uns Gott die Bibel!
In der Bibel steht ja, dass Gott selbst für das Leid verantwortlich ist.

Ziska hat geschrieben:Leider gehörst du zu denen, die das Wort Gottes so dermaßen in Stücke zerfleddern, das nichts mehr übrig bleibt, als nur leeres Gerede....
War das jetzt an mich oder an 2Lena gerichtet? Bei mir magst du recht haben, aber bei der devoten Christin 2Lena, wohl eher nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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fin
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#9 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von fin » Mi 9. Nov 2016, 17:38

Hallo allerseits,

Pluto hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:

einige haben sich hier also schon eingefunden - prima.

Bitte versteht mich nicht falsch, aber das Thema des Threads ist vorrangig der Ausgangsfrage der Theodizee gewidmet, um jene Artikulation (Definition) zu untersuchen, wie sie bislang tradiert worden ist - siehe meinen Eröffnungsbeitrag.

Die Theodizee versucht einen Zwiespalt zu ergründen, der unsere Welt zu entzweien scheint und vermutlich alle religiösen Menschen anspricht. Nämlich: Wie lassen sich die Grundübel erklären, wenn unsere Welt einer göttlichen Schöpfung entsprungen ist, dessen Ordnung und Urgrund das Gute ist?

Wie kann dieser Gott, dem wir diese Schöpfung zuschreiben, all das Leid zulassen, wenn er doch allmächtig ist - (etc.) ...

Die Theodizee versucht diesen Zwiespalt auf systematische Weise zu ergründen. Es gab bereits im Urchristentum, Christen, Philosophen und Gelehrte, die diese Problematik in ein sprachliche Form zu bringen suchten (siehe oben).

Dieser Thread möchte genau diese (tradierten) Grundprämissen erörtern und sich NICHT in Beispielen verlieren, um jedes Übel zu besprechen. Daß es schreckliche Vorkommnisse gab, das ist unbestritten, ob es sich um das Massaker am Wounded Knee, Sklavenhandel, unheilige Inquisitionen der kath. Kirche, Drogenkriege, Kinderarbeit, Kastensysteme oder Landnahme in Palästina handelt, diese Fallbeispiele bilden nicht das vordergründige Thema.

Dieser Thread versteht sich auch nicht als neue Sammelstätte für Harry Potter Befürworter oder Gegner, sondern möchte eine Grundlage bieten, wo Interessierte in einen Austausch kommen können, die etwas zur Sache beitragen können/möchten.

In dieser Hinsicht scheinen mir die Gedanken von closs eine sinnvolle Anknüpfung zu sein - Danke dafür.

closs hat geschrieben: Warum nimmt Gott Leid (das ist wohl der Begriff, der hinter "Übel" steht) nicht weg, das in der Welt ist? - Dazu müsste man Fragen: Was IST eigentlich Leid? - Und dazu gibt es sehr wohl Antworten, die allerdings nicht sehr modern sind.

Diese Antworten berufen sich darauf, dass die Trennung des Menschen von Gott (...) zu Spannung führt, die sich in Leid ausdrückt - Leid als Indikator für etwas, was nicht in Ordnung ist.

Warum gibt es diese Welt dann überhaupt? Auch da gibt es eine kurze Antwort, hinter der aber möglicherweise viel Erklärungsarbeit steckt: Weil der Mensch sich nur in einem dialektischen Raum (= vom Wesen her unheilen Raum) entwickeln kann.

Ja, dieser Ansatz ist mir bekannt. Entsprechende Thesen gab/gibt es spätestens seit der Gnosis, die dann im Verlauf der Menschheitsgeschichte von diversen Strömungen auf unterschiedliche Weisen aufbereitet wurden. Die Idee, Mensch und Schöpfung seien einer Entwicklung unterworfen, ist nicht nur eine Grundthese der modernen Wissenschaft, siehe Evolutionslehre, sondern wurde/wird auch von philosophisch-religiösen Bewegungen vertreten.

closs hat geschrieben: Warum sollte sich der Mensch überhaupt entwickeln? - Hier wäre eine kurze Antwort: Weil Gott bewusst erkannt werden will, was durch den Adam des Paradieses nicht möglich sein konnte - denn es geht nur dann, wenn "sich die Augen klären", was exakt die Folge des "Sündenfalls" ist, also danach. - Also ohne "Sündenfall" keine Bewusstseins-Entwicklung zu Gott hin.

Diese Art der Darstellung findet man zb. in der Theosophie, Antroposophie, aber auch in Strömungen des New Age. Der große Unterschied zu den aufgeklärten Naturwissenschaften ist der, daß diese Bewegungen keine rein materialistische Anschauung vertreten, sondern von einem spirituellen Urgrund ausgehen, von geistigen Wirkmächten, die für Licht und Schatten stehen.

Besagte Lehren gehen davon aus, daß Gott eine Welt begründen mußte, in der zwei Pole (gut und böse) vorkommen, damit überhaupt eine Entwicklung stattfinden konnte/kann, in der der Mensch einen geeigneten Raum vorfände, um sich freiheitlich zu entwickeln - dies ist jener dialektische Prozess von dem closs spricht, meine ich.

Bild
http://www.bibelwissenschaft.de/fileadm ... enfall.jpg

In diesen Kreisen geht man davon aus, daß das Prinzip des Bösen die eigentliche Grundlage für unsere Freiheit bildet, mit der Begründung, daß ein Geschöpf keine Freiheit ausbilden könnte, wenn es selbst und die Welt eins und gut wären. Sprich, jedes Geschöpf wäre dann zwar "Gott" ergeben, aber nur darum, weil es keine Wahlmöglichkeit hätte. Diese Option sei erst durch den dialektischen Raum gegeben, wo eben auch eine Opposition zum Guten gegeben sei.

Man findet solche Hinweise auch in der Bibel, wo es zb. heißt:

44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? 48 Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. Mt 5:44 (ff)

Ob man solche Anschauung teilt, das zb. könnte eine thematisch sinnvolle Anknüpfung sein - siehe

closs hat geschrieben: Die nächste Frage wäre, was dies für den Einzelnen bedeutet - aber eins nach dem anderen.

Grüße
fin

closs
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#10 Re: Ausgangsfrage/n der Theodizee

Beitrag von closs » Mi 9. Nov 2016, 18:26

fin hat geschrieben:Diese Art der Darstellung findet man zb. in der Theosophie, Antroposophie, aber auch in Strömungen des New Age. Der große Unterschied zu den aufgeklärten Naturwissenschaften ist der, daß diese Bewegungen keine rein materialistische Anschauung vertreten, sondern von einem spirituellen Urgrund ausgehen, von geistigen Wirkmächten, die für Licht und Schatten stehen.

Besagte Lehren gehen davon aus, daß Gott eine Welt begründen mußte, in der zwei Pole (gut und böse) vorkommen, damit überhaupt eine Entwicklung stattfinden konnte/kann, in der der Mensch einen geeigneten Raum vorfände, um sich freiheitlich zu entwickeln - dies ist jener dialektische Prozess von dem closs spricht
Kompliment - das hast Du sehr gut verstanden. :thumbup: :thumbup:

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