Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1281 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 26. Nov 2016, 19:28

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Naturwissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich überprüfen.
Womit? - Mit (wissenschaftlicher) Wahrnehmung - gell? - Also muss man (wie Popper es tut) setzen, dass die Welt so "ist", wie sie uns erscheint. - Also und nur deshalb kann man auf "Ebene 1" überprüfen - exakt meine Aussage.

Die Welt ist eben nicht immer so, wie sie uns erscheint, sonst würden wir z. B. noch dem geozentrischen Weltbild anhängen. Wir haben aber die Möglichkeit, Theorien und Modelle über die Welt zu entwickeln und diese ggf. experimentell zu überprüfen. Und damit ist die Menschheit unterm Strich bis jetzt gut gefahren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#1282 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 26. Nov 2016, 20:13

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Pikante an der Hiob-Geschichte ist: Gott selbst wird hier zum Leid-Verursacher.
Das ist sogar richtig und gar nicht pikant. Es liegt im Sinn des sog. "Sündenfalls".
Der sog. "Sündenfall" ist eine Erfindung des Paulus. Im "Alten Testament" ist davon keine Rede; das Judentum kennt weder "Sündenfall" noch "Erbsünde". Im Übrigen handelt es sich bei der Paradiesgeschichte um einen Mythos - also einem Geschehen, welches NIE geschehen ist.

Es gab NIE eine von-wem-auch-immer herbeigeführte Trennung zwischen einer göttlichen Allmacht und der Spezies Homo sapiens. NIE. Du vergisst, dass der hebräische Gott Jahwe eine sehr späte Kreation ist. Die Neandertaler beispielsweise kannten ihn nicht. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich habe gestern abend das Buch Hiob gelesen – Gott kommt darin nicht sonderlich gut weg.
(Virginia Woolf, brit. Schriftstellerin, 1882-1941)
Super Adresse. - Sie las es an EINEM Abend (ich habe 2 Monate gebraucht, weil es so dialektisch verzwickt ist).
Du neigst dazu, relativ einfache Sachverhalte unnötig zu komplizieren. Da kann es schon einmal ein bisschen länger dauern - zumal wenn Eisegese die Auslegung dominiert.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1283 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 26. Nov 2016, 20:51

sven23 hat geschrieben:Die Welt ist eben nicht immer so, wie sie uns erscheint, sonst würden wir z. B. noch dem geozentrischen Weltbild anhängen.
Das musst Du mit den Anhängern des Kritischen Rationalismus besprechen - denn es ist die Grundlage des Kritischen Rationalismus.

Münek hat geschrieben:Der sog. "Sündenfall" ist eine Erfindung des Paulus.
Meines Wissens wurde die Genesis NICHT von Paulus verfasst. - Dass man damals nicht mit dem Begriff "Sündenfall" bedacht hat, ist ein rein sprachliches Problem - inhaltlich steht dort, was man später begrifflich als "Sündefall" bezeichnet.

Münek hat geschrieben:Im Übrigen handelt es sich bei der Paradiesgeschichte um einen Mythos - also einem Geschehen, welches NIE geschehen ist.
Historisch halte ich "das Paradies" ebenfalls nicht. - Aber darum geht es ja (hoffentlich) nicht.

Die Paradies-/Sündenfall-Geschichte bezeichnet eine Phase des menschlichen Geistes, in der der Mensch geistige Fragestellungen thematisieren konnte. - Hätten es die Neanderthaler thematisieren können, wäre es zu ihrer Zeit passiert.

Münek hat geschrieben:Es gab NIE eine von-wem-auch-immer herbeigeführte Trennung zwischen einer göttlichen Allmacht und der Spezies Homo sapiens.
Sobald der Mensch geistig dazu in der Lage war, konnte er den Unterschied zwischen göttlicher Harmonie und "Hineingeworfensein" in die Dialektik des Daseins erkennen und formulieren. - Eine Folge davon ist die Genesis-Erzählung.

Münek hat geschrieben:Du neigst dazu, relativ einfache Sachverhalte unnötig zu komplizieren.
"Man muß die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher" (Einstein). - Populismus ist einfach und kann sogar triumphierend mit Verweis auf Ockham den Anschein intellektueller Redlichkeit beanspruchen. - Aber das ist halt nicht jedermanns Sache.

Azathoth
Beiträge: 154
Registriert: So 20. Nov 2016, 19:05

#1284 Re: Theodizee

Beitrag von Azathoth » Sa 26. Nov 2016, 20:55

closs hat geschrieben:Historisch halte ich "das Paradies" ebenfalls nicht. - Aber darum geht es ja (hoffentlich) nicht.
Eigentlich schon.
Denn es es nicht historisch ist, dann ist es Erfindung. Weil das aber vielen so nicht mehr den Halse hinunter will, muss man da ein Konstrukt herum bauen, es irgendwie passend machen und voila.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1285 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 26. Nov 2016, 21:01

Azathoth hat geschrieben:Denn es es nicht historisch ist, dann ist es Erfindung.
Wahrnehmung ist immer "Erfindung" - natürlich benutzt eine Kultur die begrifflichen Möglichkeiten ihrer Zeit, um etwas so zu beschreiben, dass es auch nach 2000 Jahren verstanden wird (zumindestens von einigen). - Aber es geht doch um das, wofür solche Bilder/Chiffren stehen.

Azathoth
Beiträge: 154
Registriert: So 20. Nov 2016, 19:05

#1286 Re: Theodizee

Beitrag von Azathoth » Sa 26. Nov 2016, 21:09

closs hat geschrieben:Wahrnehmung ist immer "Erfindung"
Ja, dass sich das bei dir so verhält glaube ich sogar SOFORT :!:

closs hat geschrieben:Aber es geht doch um das, wofür solche Bilder/Chiffren stehen.
Bilder? Chiffren?
Wie dem auch sei. Es bedeuted wohl immer genau das was du (oder gerne auch andere) daraus machen und sehen wollen. Was auch sonst.
:lol:

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1287 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 26. Nov 2016, 21:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Welt ist eben nicht immer so, wie sie uns erscheint, sonst würden wir z. B. noch dem geozentrischen Weltbild anhängen.
Das musst Du mit den Anhängern des Kritischen Rationalismus besprechen - denn es ist die Grundlage des Kritischen Rationalismus.

Ist sie nicht. Du mußt Definitionen schon genauer lesen.

"Der Kritische Rationalismus übernimmt die im Alltagsverstand selbstverständliche Überzeugung, dass es die Welt wirklich gibt, und dass sie vom menschlichen Erkenntnis­vermögen unabhängig ist. Das bedeutet beispielsweise, dass sie nicht zu existieren aufhört, wenn man die Augen schließt. Der Mensch aber ist in seiner Erkenntnisfähigkeit dieser Welt durch seine Wahrnehmung begrenzt, so dass er sich keine endgültige Gewissheit darüber verschaffen kann, dass seine Erfahrungen und Meinungen mit der tatsächlichen Wirklichkeit übereinstimmen (Kritischer Realismus). Er muss daher davon ausgehen, dass jeder seiner Problemlösungsversuche falsch sein kann (Fallibilismus). Das Bewusstsein der Fehlbarkeit führt einerseits zu der Forderung nach der ständigen kritischen Prüfung von Überzeugungen und Annahmen, andererseits zum methodischen und rationalen Vorgehen bei der Lösung von Problemen (Methodischer Rationalismus)."
Quelle: Wikipedia



closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du neigst dazu, relativ einfache Sachverhalte unnötig zu komplizieren.
"Man muß die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher" (Einstein). - Populismus ist einfach und kann sogar triumphierend mit Verweis auf Ockham den Anschein intellektueller Redlichkeit beanspruchen. - Aber das ist halt nicht jedermanns Sache.
Ockhams Rasiermesser hat mit Sicherheit nichts mit Populismus zu tun, sondern ist ein oft bewährtes Prinzip.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#1288 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 26. Nov 2016, 21:31

closs hat geschrieben:
fin hat geschrieben:Was möchtest du damit sagen, daß der Sinn des Sündenfalls ein vorgesehener Plan Gottes sei?
Wirklich nur arg kurz, weil ich weg muss:
* Gott will, dass der Mensch EIGEN-Erkenntnis gewinnt.
Diesen Wunsch hat Gott nie artikuliert. Also Dein Fantasieprodukt.

closs hat geschrieben:* Dies geht nicht im "Paradies", sondern nur im dialektischen Raum.
Das "Paradies" hat es nie gegeben. Der Garten Eden ist ein Mythos.

closs hat geschrieben:* Paradies ist KEIN dialektischer Raum.
Als Fantasieprodukt wohl eher ein "intergalaktischer Raum" aus dem Science-Fiction-Gendre. :)

closs hat geschrieben:* Dieser dialektischer Raum wird erst mit dem "Sündenfall" geschaffen ("und ihre Augen klärten sich").
Weder das "Alte Testament" noch das Judentum kennen einen "Sündenfall". Den hat der gute Paulus erfunden und Augustinus hat später noch die "Erbsünde" hinzugefügt.

Wann endlich klären sich mal Deine Augen?

closs hat geschrieben:* Dasein ist das Feld, in dem sich der Mensch zum nicht-dialektischen Raum hin erkennt.
Na dann erkenne Du Dich mal zum "nicht-dialektischen Raum" hin. Kein "normaler" Christ würde sich in Deinen komplizierten Glaubenskonstruktionen auch nur annähernd wiederfinden.

Azathoth
Beiträge: 154
Registriert: So 20. Nov 2016, 19:05

#1289 Re: Theodizee

Beitrag von Azathoth » Sa 26. Nov 2016, 21:37

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:* Dieser dialektischer Raum wird erst mit dem "Sündenfall" geschaffen ("und ihre Augen klärten sich").
Weder das "Alte Testament" noch das Judentum kennen einen "Sündenfall". Den hat der gute Paulus erfunden und Augustinus hat später noch die "Erbsünde" hinzugefügt.

Wann endlich klären sich mal Deine Augen?
Ich wette: Niemals :!: :!: :!:
Zuletzt geändert von Azathoth am Sa 26. Nov 2016, 22:15, insgesamt 2-mal geändert.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#1290 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 26. Nov 2016, 22:08

sven23 hat geschrieben: Du mußt Definitionen schon genauer lesen.
Wichtig ist, dass der Kritische Rationalismus setzt, dass die Welt so ist, wie sie erscheint - im Sinne von "dass sie nicht zu existieren aufhört, wenn man die Augen schließt". - Das ist exakt der entscheidende Satz.

sven23 hat geschrieben:Ockhams Rasiermesser hat mit Sicherheit nichts mit Populismus zu tun, sondern ist ein oft bewährtes Prinzip.
Mag sein - aber das große Vereinfachen ist halt "in".

Münek hat geschrieben:Diesen Wunsch hat Gott nie artikuliert.
Wenn Du kontextual liest, weisst Du, was ich meine - mir fallen spontan zwei Abraham-Stellen ein.

Münek hat geschrieben:Das "Paradies" hat es nie gegeben.
Naturalistisch korrekt - aber das, wofür die Chiffre "Paradies" steht, gibt es. - Das hatten wir aber auch schon mehrfach.

Münek hat geschrieben:Weder das "Alte Testament" noch das Judentum kennen einen "Sündenfall".
Sie kennen es GEISTIG, formulieren es halt anders. - Lies mal in "teschuwa-hausisrael" (scheint ein jüdisches Forum zu sein).

Münek hat geschrieben: Kein "normaler" Christ würde sich in Deinen komplizierten Glaubenskonstruktionen auch nur annähernd wiederfinden.
Müssen sie auch nicht, weil sie es auch unintellektuell spüren (eh der beste Weg). Mit echten Christen muss man auch nicht auf dieser philosophischen Ebene sprechen - unnötig. - Allerdings gibt es auch sehr intellektuell und philosophisch orientierte Christen/Theologen, die das alles auf Anhieb verstehen - weil sie es in ihren Glauben transferieren können. - Da mach Dir keine Sorge.

Das eigentliche Problem ist ein anderes: Wenn man Agnostikern nicht mal intellektuell verständlich machen kann, worum es gesamt-kanonisch in der Bibel geht: Was soll das dann alles?

Antworten