Wie denkst Du über Textkritik?

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Münek
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#11 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Münek » Di 26. Apr 2016, 22:17

Bastler hat geschrieben:Ich befürchte, dass eine Textkritik nicht das erbringt, was sich einige von ihr erhoffen.
Hinterher weiß man zwar, wie (und durch welchen Autor) ein Text entstanden ist, welche Anleihen er bei anderen Texten gemacht hat, wie er zusammengefügt wurde und welche Veränderungen er durchgemacht hat. Aber dann steht man eben mit diesem Wissen da - und was hat man davon?

Den Ruf, wissenschaftlich korrekt gearbeitet zu haben? Na toll.
Es wird diese Idealisten/Enthusiasten, die sich einer Sache mit ganzem Herzen verschrieben haben, immer geben. Und das ist auch gut so. Was hatte Galilei davon, als er als erster Mensch mit seinem weiterentwickelten Fernrohr die Mondkrater und -berge, die Sichelgestalt der Venus und die vier großen Jupitermonde entdeckte? Erkenntnis und Entdeckerfreude ohnegleichen. Ist das nichts?

Pluto
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#12 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Pluto » Mi 27. Apr 2016, 11:27

Münek hat geschrieben:Es wird diese Idealisten/Enthusiasten, die sich einer Sache mit ganzem Herzen verschrieben haben, immer geben. Und das ist auch gut so. Was hatte Galilei davon, als er als erster Mensch mit seinem weiterentwickelten Fernrohr die Mondkrater und -berge, die Sichelgestalt der Venus und die vier großen Jupitermonde entdeckte? Erkenntnis und Entdeckerfreude ohnegleichen. Ist das nichts?
Genau!
Wir Menschen sind neugierig und sehnen uns nach Wissen.
Wie Carl Sagan es einmal formulierte: Ich will nicht glauben, ich will wissen!

Ist das nicht der Antrieb der Textkritik?
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Bastler
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#13 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Bastler » Mi 27. Apr 2016, 12:09

Ich will lieber glauben können, als wissen.
Was hilft mir das ganze Wissen, wenn ich nicht mehr an das Heil meines Lebens glauben kann?

closs
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#14 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von closs » Mi 27. Apr 2016, 13:27

Pluto hat geschrieben:Ist das nicht der Antrieb der Textkritik?
Ja - und ist eigentlich ein universales Motiv des Menschen, das genauso für Hermeneutik gilt: Der Mensch will erkennen.

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#15 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Pluto » Mi 27. Apr 2016, 13:39

Bastler hat geschrieben:Ich will lieber glauben können, als wissen.
Was hilft mir das ganze Wissen, wenn ich nicht mehr an das Heil meines Lebens glauben kann?
An welches Heil denn?
Ist das nicht der Stoff aller Religionen? Versprechen die erst in einer fiktiven Nachwelt eingehalten werden müssen, sind für mich keine Versprechen.

Was nützt der Glaube an ein Heilsversprechen, wenn ich nicht weiß ob es in Erfüllung geht?
___________________________

Genügt es nicht zu sehen das ein Garten schön ist, ohne daran glauben zu müssen, dass darin Feen wohnen? - [Douglas Adams]
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#16 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Bastler » Mi 27. Apr 2016, 15:41

Es ist der Stoff vieler Religionen, aber nicht aller.
Innerhalb der Religionen ist zudem meist umstritten und umkämpft, wem dieses Heil zuteil werden soll.
Aber Religionen und Glaube sollte man in solchen Fragen sowieso eher getrennt anschauen. Wie viel Glaube eine Religion zu geben fähig ist, ist sehr unterschiedlich und zusätzlich noch vom einzelnen Gläubigen und dessen Privatansichten abhängig.

Das Heil ist nicht erst im Jenseits erlebbar. Es gibt in jeder Religion immer auch Heilserfahrungen in der Gegenwart.

Wenn Bonhöfer im KZ beten kann "von guten Mächten wunderbar geborgen", dann beschreibt er kein Wissen, sondern seinen Glauben - einen Glauben, der ihn in dunkelsten Momenten trägt.

Jesus hatte kein Wissen als Gewähr, dass es gut ist, sich in riskanter Weise für Zöllner einzusetzen. Sein leidenschaftliches Engagement entsprang keinem Wissen, dass alles gut geht und dass man beweisen könne, dass auch Zöllner ein Lebens- und Wohlwollensrecht besäßen. Er konnte sich vielmehr aus dem Glauben einem Risiko überlassen, das ihn letztendlich ans Kreuz brachte.
Und im kleineren Maßstab ist es mit jedem Risiko nicht anders.

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#17 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Münek » Mi 27. Apr 2016, 18:53

Bastler hat geschrieben:Jesus hatte kein Wissen als Gewähr, dass es gut ist, sich in riskanter Weise für Zöllner einzusetzen. Sein leidenschaftliches Engagement entsprang keinem Wissen, dass alles gut geht und dass man beweisen könne, dass auch Zöllner ein Lebens- und Wohlwollensrecht besäßen. Er konnte sich vielmehr aus dem Glauben einem Risiko überlassen, das ihn letztendlich ans Kreuz brachte.
Jesus ist ganz gewiss nicht von der römischen Besatzungsmacht ans Kreuz geschlagen worden, weil er mit Zöllnern verkehrte.

"Zöllner" wurden nämlich von den Römern eingesetzt, um Tribute und Abgaben von der jüdischen Bevölkerung einzutreiben. Sie waren als Kollaborateure mit der Besatzungsmacht verhasst und wurden gesellschaftlich isoliert. Sie bestritten ihren Lebensunterhalt oft durch über-
höhte Forderungen und Unterschlagung.(wiki)

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#18 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Pluto » Mi 27. Apr 2016, 19:42

Bastler hat geschrieben:Wie viel Glaube eine Religion zu geben fähig ist, ist sehr unterschiedlich und zusätzlich noch vom einzelnen Gläubigen und dessen Privatansichten abhängig.
Welchen Glauben man für richtig findet ist eher eine Frage von Zufälligkeiten der Indoktrination.
Neugeborene sind allesamt erst mal Atheisten.
Wurdest er/sie in Rom oder Paris geboren, ist er/sie aller Wahrscheinlichkeit durch die Erziehung ein Christ. Wurde man hingegen in Jerusalem geboren wird man wahrscheinlich Jude. Wurde man in Islamabad oder Jakarta geboren wird man vermutlich als Moslem aufwachsen. Ähnlich verhält es sich mit Mumbay (==>Hindu) oder Tokio (==>Shinto).

Bastler hat geschrieben:Das Heil ist nicht erst im Jenseits erlebbar. Es gibt in jeder Religion immer auch Heilserfahrungen in der Gegenwart.
Wie macht sich das bemerkbar?

Bastler hat geschrieben:Wenn Bonhöfer im KZ beten kann "von guten Mächten wunderbar geborgen", dann beschreibt er kein Wissen, sondern seinen Glauben - einen Glauben, der ihn in dunkelsten Momenten trägt.
Bonhoefer war ein Ausnahmefall. Hat er nicht auch geschrieben, "etsi deus non daretur", Leben als ob es Gott nicht gäbe.

Bastler hat geschrieben:Jesus hatte kein Wissen als Gewähr, dass es gut ist, sich in riskanter Weise für Zöllner einzusetzen. Sein leidenschaftliches Engagement entsprang keinem Wissen, dass alles gut geht und dass man beweisen könne, dass auch Zöllner ein Lebens- und Wohlwollensrecht besäßen. Er konnte sich vielmehr aus dem Glauben einem Risiko überlassen, das ihn letztendlich ans Kreuz brachte.
Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Warum sollte Gott seinen Sohn opfern? Gab es für einen allmächtigen Gott denn keine alternative Methode zum Heil der Menschen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#19 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von Münek » Mi 27. Apr 2016, 21:56

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ist das nicht der Antrieb der Textkritik?
Ja - und ist eigentlich ein universales Motiv des Menschen, das genauso für Hermeneutik gilt: Der Mensch will erkennen.
Formulieren wir es zutreffender: Der Mensch ist ein von Natur aus eminent NEUGIERIGES Wesen.

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#20 Re: Wie denkst Du über Textkritik?

Beitrag von closs » Mi 27. Apr 2016, 21:59

Münek hat geschrieben:Der Mensch ist ein von Natur aus eminent NEUGIERIGES Wesen.
Genau - was ist an Deiner Formulierung "zutreffender"?

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