Hölle lebenslänglich?

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Tyrion
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#931 Re: Hölle lebenslänglich?

Beitrag von Tyrion » Do 22. Dez 2016, 20:46

lovetrail hat geschrieben:Die meisten Sünden, wie Stolz, Neid, Lüge, Mord, Diebstahl... schaden nunmal anderen Menschen. Ein schlechtes Gewissen kann da eine gute Korrektur sein.

Auch das verstehe ich nicht: Warum wird Mord auf eine Stufe mit Stolz, Neid, Lüge gestellt?

Stolz - ja, ich bin stolz wenn ich etwas geschafft habe oder wenn ich Teil sein durfte, dass jemand anderes etwas besonderes geleistet hat. Auch sind Eltern stolz auf ihre Kinder, wenn diese etwas geschafft haben, was nicht selbstverständlich ist. Wenn Stolz eine Sünde ist, dann begeht jeder Sünden - was diese dann beliebig macht. Nur ist nicht jeder ein Mörder.

Neid - ja, Neid ist meist negativ besetzt. Es gibt aber auch positiven Neid. Wenn ich jemanden um sein Wissen beneide, dann ist das Anspron für mich, ebenfalls entsprechendes Wissen mir anzueignen. Diese Form des Neids ist Anstoß, sich selbst aufzuraffen. Neid kann auch destruktiv sein, aber eben nicht immer.

Lüge - ja, ich lüge ab und an. Höflichkeit ist meist gelogen, sagt man. Wer knallhart ehrlich wäre, würde in unserer Gesellschaft ständig anecken. Man bekommt ein Geschenk - anstatt zu sagen "Oh Mann, noch eine hässliche Vase, die ich nicht gebrauchen kann" sagt man "Vielen Dank, ist die aber hübsch. Mei, da freue ich mich aber...".
Lüge ist nicht Lüge.

Diebstahl - da fällt mir nicht wirklich was Positives ein.

Und Mord - der wird meiner Meinung nach verharmlost, wenn man das in einem Atemzug mit Stolz oder Neid nennt. Ich kann diese Wertevorstellung schlicht nicht nachvollziehen.

Zu den sieben Todsünden - ein weiteres Beispiel: Faulheit - ich bin bekennend faul in manchen Dingen. Und Faulheit hat uns weit gebracht. Wer zu faul ist, ständig zum Fluss zu gehen, um einen Eimer mit Wasser zu füllen und zurücktragen zu müssen, der versucht das Problem optimiert zu lösen. Die Folge: nicht tragen, sondern das Rad erfinden und dann schieben. Oder eine Bewässerungsanlage zu errichten (usw.).

Mein Eindruck: wenn man selbst alltägliche, typisch menschliche Handlungen und Sichtweisen als Sünden oder gar Todsünden verteufelt, der stellt unlösbare Lebensregeln auf, an denen man scheitern muss. Der Erfolg: man fühlt sich ständig schlecht, macht sich als Sünder runtern, fürchtet am Ende um sein Seelenheil und muss zum Priester / Pfarrer/ Sektenguru gehen, um seine Sünden zu bereuen. Würde man es schaffen, alle Emotionen abzuschaffen, die verboten sind "Du sollst nicht begehren...", sei nicht stolz..., sei nicht neidisch..., verspüre keine Wollust (ist einprogrammiert), geht man kaputt oder wird zu einem katatonischen Zombie, denke ich.
Aber man kann sich ständig selbst runtermachen.

Ist man aber Mörder, dann ist es leichter: das ist ja wirklich extrem, aber auch Moses war ein Mörder - no problem! Beichte, bereue und der Herr wird dir verzeihen. Man macht das vielleicht auch nur einmal. Passt dann schon. Andere - Ungläubige - werden das nicht wegstecken können, denn für die ist das Beenden eines Lebens ganz was anderes als mal stolz auf sich oder jemanden zu sein.

Diese mangelnde Differenzierung fällt mir immer wieder auf. Liegt vermutlich daran, dass banale Dinge als "Todsünden" überbewertet werden. Da sündige ich lieber bewusst und fühle mich dennoch wohl. Wobei - stimmt nicht, da ich ja diese banalen Dinge nicht verteufle, den Begriff Sünde für Dinge wie "Wollust" unpassend finde. Also sündige ich auch nicht. Ich genieße mein Leben und meine Emotionen. Und mein Gewissen hat damit kein Problem - da ich niemandem damit schade.

Und ja, wer heute das Zerschmettern von Kinderschädeln an Felsen für eine inspirierte Idee hält, der ist wirklich potentiell gefährlich.

Da sind wir vollkommen einer Meinung. Wer aber jede Passage wortwörtlich nimmt...

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sven23
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#932 Re: Hölle lebenslänglich?

Beitrag von sven23 » Do 22. Dez 2016, 20:49

Halman hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Ich sehe allenfalls, dass Dir nicht klar ist, dass Jesus den Begriff des Nächsten auf jederman ausdehnte.
Auch das kann von der Forschung nicht bestätigt werden. Es war vor allem Paulus, der die Missionierung auf die Heiden ausdehnte und darüber mit Petrus, der Jesus ja persönlich kannte und damit auch dessen vermuteten Willen, in Streit geriet. Paulus, der Jesus nie getroffen hat, setzte sich durch, wie wir wissen.
Jesus selbst wollte keine neue Religion gründen oder eine weltweite Missionierung. (Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel)
Also — da lese ich in der Bibel ganz was anderes.
Das ist aber weitgehender Konsens in der Forschung. Der Jude Jesus vertrat einen religiösen Partikularismus. Er muss viel stärker in seinem jüdischen Kontext verstanden werden. Die christliche Okkupation ist ein posthumes Phänomen.



Halman hat geschrieben: Der Streit zwischen Paulus und Petrus war keineswegs so groß, wie allgemein aufgebauscht wird.
Er war aber richtungsweisend. Paulus war dem Petrus sicher intellektuell und rhetorisch überlegen und er wird im klar gemacht haben, dass die jüdische Sekte wieder in der Versenkung verschwinden würde, wenn man sich auf die Juden beschränken würde. Die Zukunft lag in der Heidenmission, wie Paulus richtig erkannte, wenn man Wert auf Ausbreitung der Religion legt.

Halman hat geschrieben: Das Paulus einen völlig anderen Jesus verkündet als die Evangelisten, wird ja immer wieder behauptet. Dergleichen konnte ich beim Lesen des zweiten Testaments allerdings nicht feststellen.
Dazu muss man historisch-kritisch an die Texte ran.

"Der Jude Jesus wurde nach seinem Tode, durch den römischen Juden Paulus (er besaß römisches Staatsbürgerrecht) mittels griechischer Kulturattribute bereits dem Judentum entfremdet, von den Päpsten der Gründerzeit als zentrales religiöses Symbol nach Rom geholt. (Paulus war Zeitgenosse des griechisch-jüdisch-alexandrinischen Philosophen Philon (siehe oben), der den "Logos" als Gottes Sohn bezeichnete – und Paulus versah Jesus mit der nunmehr doppelsinnigen „Gottessohnschaft“, die jedoch unterschiedliche Bedeutung im jüdischen und hellenistischen Sprachgebrauch hatte). In Rom wurde Jesus systematisch seiner jüdischen Wurzeln, seiner jüdischen Heimat und Kultur beraubt und statt dessen glorifiziert und mystifiziert und seine Gottessohnschaft verabsolutiert.
Die Entfremdung Jesu von seinem jüdischen Glauben geschah so gründlich, dass erst 2000 Jahre später der verstorbene Papst Johannes Paul II wieder erkannte, wie tief der christliche Glauben im Judentum verwurzelt ist.
...
Paulus hatte nun in den jüdisch apokalyptischen Denkstrukturen seiner Zeit und der Naherwartung des Gottesreiches, was seiner pharisäischen Ausbildung entsprach, im Glauben an Jesus als Messias das Ende der Torah-Herrschaft gesehen, für ihn die Wahl zwischen Erlösung und Gesetz. Seine ganze Existenz stand bei dieser Alternative auf dem Spiel und er traf seine Entscheidung. („Ich missachte die Gnade Gottes in keiner Weise, denn käme die Gnade durch das Gesetz, so wäre Christus vergeblich gestorben“ (Gal 2,21)). Stünde da nicht eine Erwartung dahinter, wäre es Dialektik.
...
Die Frühkirche allerdings funktionierte die Briefe des Paulus zum „Wort Gottes“ um und zementierte sie im Kanon des Neuen Testamentes als ewige Wahrheiten fest, als Grundlage für den neuen christlichen und als Abgrenzung zum jüdischen Glauben. Seither drehen die Kirchen sich in einem Circulus vitiosus ständig um die eigene Achse und kehren nach mannigfaltigen Flucht- und Ausbruchsversuchen immer wieder zum Wortsinn der Schriften zurück."

Glauben&Wissen

Halman hat geschrieben: Paulus bezieht sich auf urchristliche Doxologien und dem Tanach (AT). Seine Darstellung des Abendmahl an die Korinther entspricht der lukaischen.
Wenn man die Chronologie der Texte berücksichtigt, müßte man eher sagen, dass die lukaische Darstellung der des Paulus entspricht. ;)


Halman hat geschrieben: Übrigens, dass alle Völker der Welt durch Abraham gesegnet werden sollen, war von Anfang an Bestandteil der Torah.
Wie ich schon zu closs sagte: segnen kann man alles, das macht auch der Papst mit seinem "urbe et orbi" Segen. Deshalb muss nicht die ganze Welt katholisch werden. Ausserdem kennt das Judentum keine Missionierung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Andreas
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#933 Re: Hölle lebenslänglich?

Beitrag von Andreas » Fr 23. Dez 2016, 17:29

Ich grabe noch etwas tiefer, wenn ich darf, lieber Rem.
Rembremerding hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Außerdem zitiert der Gesetzeslehrer schlampig.
Dies fällt tatsächlich auf. Zudem stellt er die Verse des AT in einem Satz gleich. Ich gehe davon aus, dass er bewusst so gelesen hat, weil es ihm einzig darum ging Jesus die Frage nach dem Nächsten zu stellen. Man trifft Christen, auch hier im Forum, die Gottes Wort so lesen, damit andere damit bloßgestellt werden, damit man sein egoistisches, liebloses Ziel erreicht, ja, damit man seinen Zorn in Bibelverse gepackt loswerden kann. Man kann also heilige Worte dadurch pervertieren, in dem man sie nicht in dem Geiste gebraucht, in dem sie aufgeschrieben. Nichts anderes tat Satan in der Versuchungsgeschichte Jesu.
Der "Verstand" ist wohl beim Gesetzeslehrer unter dem Einfluss des Hellenismus jener Zeit hinzugetreten. So wird in jeder Zeit die Lebenswirklichkeit und die Geistesströmung das Lesen des Wortes beeinflussen. Dies ist nicht unbedingt schädlich, soweit man immer den Hl. Geist und seine Eigenschaften als Maßstab beobachtet, der das Wort uns schenkt.

Außerdem werden in dieser Perikope zwei unterschiedliche griechischen Worte für "Leben" verwendet.
Jesus sagt nicht, dass er so das ewige Leben erben wird, denn dazu gehört mehr und dieses "mehr" versucht Jesus ihm (und uns) durch sein Wort im folgenden Gleichnis zu verklickern... Jesus ist der "Samaritaner", der Fremde mit seiner neuen Lehre, der Andersgläubige, der unbequeme Reformator, keiner von ihnen, keiner aus dem jerusalemer Tempelbetrieb und noch dazu ausgerechnet aus Galiläa!
Hier wird die Homilie des Origenes interessant, der den Überfallenen, Ausgeplünderten als den gefallenen Adam und Jesus als den Samariter identifiziert, der für ihn bezahlt, damit er geheilt wird.
Auch an Origenes stellt Jesus seine Frage: Was liest du? Origenes interpretiert nach den hermeneutischen Regeln seiner Zeit, dem mehrfachen Schriftsinn, allegorisch und seinem Christusbild entsprechend. Die Bezahlung des Wirtes deutet er deswegen als Lösegeld. Aber was spricht im Text des Gleichnissen dafür, dass der Wirt mit Gott gleichzusetzen wäre, dem das Lösegeld zu bezahlen sei? Nichts. Andererseits passt zur Theologie des Lösegeldes nicht, dass der auferstandene Jesus noch einmal "zu Gott" zurückkäme und dann sozusagen die zweite Rate des Lösegeldes abliefern würde. Dieser Auslegung sperrt sich einiges im Text.

Also lasse ich mich noch einmal anfragen: Was steht da? Was liest du?
Was steht da?
Zu "liebe deinen Nächsten wie dich selbst" finde ich folgende Stellen - und nicht nur diese erste, die in den deutschen Bibelausgaben als Verweisstelle angegeben ist - das ist nur das, was die Übersetzer gelesen haben:

Lev 19,18 hat geschrieben:An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.
Lev 19,34 hat geschrieben:Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.
Dtn 13,7-10 hat geschrieben:Wenn dein Bruder, der dieselbe Mutter hat wie du, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau, mit der du schläfst, oder dein Freund, den du liebst wie dich selbst, dich heimlich verführen will und sagt: Gehen wir und dienen wir anderen Göttern - (wobei er Götter meint,) die du und deine Vorfahren noch nicht kannten,
unter den Göttern der Völker, die in eurer Nachbarschaft wohnen, in der Nähe oder weiter entfernt, zwischen dem einen Ende der Erde und dem andern Ende der Erde -,
dann sollst du nicht nachgeben und nicht auf ihn hören. Du sollst in dir kein Mitleid mit ihm aufsteigen lassen, sollst keine Nachsicht für ihn kennen und die Sache nicht vertuschen.
Sondern du sollst ihn anzeigen. Wenn er hingerichtet wird, sollst du als Erster deine Hand gegen ihn erheben, dann erst das ganze Volk.
Sir 7,21 hat geschrieben:Einen klugen Sklaven liebe wie dich selbst, verweigere ihm die Freilassung nicht!
Das ist das, was dasteht - und manches davon liest man nicht so gerne, weil nicht alles davon in der Freude des Heiligen Geistes mit "Barmherzigkeit" in Einklang zu bringen ist. Man kommt nicht drum herum aus allem, was man lesen sollte - weil es dasteht - auszuwählen und sich zu entscheiden, was man sich davon zu eigen macht.

Aus der Frage nach dem "was liest du" und dem folgenden, kann man ablesen - was Jesus liest und sich zu eigen gemacht hat. Ein Hinweis ist, dass in dem Gleichnis ein Levit auftaucht und dass aus dem Buch Levitikus zitiert wird ("Levitikon" in LXX). Besonders fällt dabei auf, dass hier auf den Fremden Bezug genommen wird. Der Samaritaner im Gleichnis ist ein Fremder im Judäa des Jahres 30 - und Jesus aus Nazareth ist in Jerusalem der Fremde. Galiläa liegt von Jerusalem aus gesehen ja noch hinter Samaria. Deshalb wählt Jesus einen Fremden für sein Gleichnis. Ein einheimischer Schmied wäre auch als barmherziger Retter in der Not möglich gewesen, aber der hätte nicht auf die "ungelesene Stelle" mit dem Fremden verwiesen.

Was lese ich noch?
Den Kontext, in den dieses Gleichnis eingebunden ist:
Lk 10,21-24 hat geschrieben:In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.
Jesus wandte sich an die Jünger und sagte zu ihnen allein: Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht.
Ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.
Dann folgt das Gleichnis in dem der Sohn als Erzähler des Gleichnisses eben das offenbart was den Weisen und Klugen, den Propheten und Königen verborgen war und fremd geblieben ist.
So gelesen, geht das zusammen genommen in eine ziemlich "trinitarische" Richtung, weil der Samaritaner dann nicht nur als der Sohn - Jesus in der Freude des Heiligen Geistes - sondern auch als der Vater zu verstehen wäre. Die Barmherzigkeit, welche die Not des beschädigten Menschen in den Mittelpunkt rückt, ist ein Wesensmerkmal aller drei - unabhängig davon, ob man sie trinitarisch versteht oder nicht.

Derjenige, dem dies offenbart wird, ist der, der liest und versteht worum es Jesus im Wesentlichen geht. Jesus lehrt also nicht nur seine Botschaft sondern liefert den hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der Botschaft gleich mit dazu: "Was steht da? Was liest du?" Wer achtlos über diese beiden unscheinbaren Pflänzchen auf dem Weg des Textes hinwegschreitet, sie beim flüchtigen Lesen überliest und diese nicht recht würdigt, versteht diesen Text nicht in seiner ganzen Tiefe. Meiner Meinung nach, die kann falsch sein. Das einzige was für die Richtigkeit dieser Interpretation spricht, ist, dass innerhalb der involvierten Texte eines zum anderen passt und nichts übrig bleibt, was sich dieser Interpretation sperrend widersetzen würde.

Die Frage des Gesetzeslehrers nach dem Nächsten wird in Jesu Antwort völlig auf den Kopf gestellt:
Lk 10,36-37 hat geschrieben:Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!
Denn nicht wen wir als Nächsten betrachten ist entscheidend um das ewige Leben zu erben, sondern von wem wir als Nächste betrachtet werden. Unser Nächster ist immer zuerst derjenige, der uns halbtoten Menschen mit seiner Barmherzigkeit am nächsten steht: Jesus in der Freude des Heiligen Geistes und der Vater. In diesem Geheimnis leben wir nicht als Fremde sondern als Nächste. So nahe ist uns das Reich Gottes, auch wenn uns dieses Geheimnis noch fremd erscheinen mag. Darin ist unser Erbe des ewigen Leben gegründet.

Damit ist nun schlussendlich auch die Eingangsfrage des Gesetzeslehrers beantwortet:
Lk 10,25b hat geschrieben:Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
Du musst eigentlich nur verstehen, von wem du, Mensch, mit barmherzigen Augen als Nächster angenommen bist. Wenn du dieser frohen Botschaft vertraust, wirst du deinen Nächsten barmherzig behandeln. Gott lässt sein Antlitz über seine Kinder leuchten. Sein Vermächtnis ist unser Erbe: Barmherzigkeit. Was liest du? Was davon gibst du weiter?

Rembremerding
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#934 Re: Hölle lebenslänglich?

Beitrag von Rembremerding » Sa 24. Dez 2016, 09:55

Andreas hat geschrieben:Ich grabe noch etwas tiefer, wenn ich darf, lieber Rem.
Natürlich, lieber Andreas. Graben wir aber nur so tief, um nicht durchzufallen. :D

Auch an Origenes stellt Jesus seine Frage: Was liest du? Origenes interpretiert nach den hermeneutischen Regeln seiner Zeit, dem mehrfachen Schriftsinn, allegorisch und seinem Christusbild entsprechend. Die Bezahlung des Wirtes deutet er deswegen als Lösegeld. Aber was spricht im Text des Gleichnissen dafür, dass der Wirt mit Gott gleichzusetzen wäre, dem das Lösegeld zu bezahlen sei? Nichts. Andererseits passt zur Theologie des Lösegeldes nicht, dass der auferstandene Jesus noch einmal "zu Gott" zurückkäme und dann sozusagen die zweite Rate des Lösegeldes abliefern würde. Dieser Auslegung sperrt sich einiges im Text.
Denn nicht wen wir als Nächsten betrachten ist entscheidend um das ewige Leben zu erben, sondern von wem wir als Nächste betrachtet werden.
Origines bewegte in seiner Zeit die Frage, wer und ob er erlöst sei. Er liest einen Gott, der ihn erlöst. Wir lesen heute Barmherzigkeit und die Sehnsucht nach Anerkennung vom Nächsten her. Weil die Wahrheit zur Lüge gemacht wird und die Lüge zur Wahrheit? Weil niemand mehr vertrauen kann und Familien zerbrechen?
Origenes sieht die Heilung in Gott, der sich zuwendet und erlöst, wir sehen Heilung in der Nächstenliebe und im anerkannt sein vom Nächsten her. Unsere Zeit belässt das Heil in der Welt und sieht deren Zerbrochenheit. So wird der Satz wichtig: "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst".
Wie liebt man sich selbst? Doch nur, wenn wir uns so erkennen, wie Gott uns erkennt, aus seiner Liebe her.

Origenes hat ein marcinisches Bild vom Loskauf aus der Macht der Dämonen. Die Juden kannten den Loskauf aus ihrem Handelsrecht. Mensch und Tier können ihr Leben freikaufen oder es bezieht sich familienrechtlich auf das Auslösen, wie Boas sich als Löser für Rut sah.
Origines sah die Not seiner Zeit in der Abhängigkeit, schließlich gab es die dämonischen Götzenbilder um ihn und ein Sklavenwesen. Die Abhängigkeit bestand auch in Stammeszugehörigkeit, Sippen und Familienbande. Loskauf ist für Jesus ein Ausdruck seiner Liebe und seines Dienens und es ist seine und unsere Liebe, die Menschen freikaufen kann aus Zwängen und Abhängigkeiten.

Lukas ist der Evangelist unserer Zeit, weil er für die Griechen schrieb, deren philosophische Erben wir sind. Für Lukas ist Jesus der göttliche Wanderer, der von Gott herab kommt und dem Menschen zeigt, dass sie einen göttlichen Kern haben und ihre Heimat bei Gott ist. Für Lukas geht Erlösung so, dass Jesus uns einen Weg zeigt, wie wir sinnvoll leben können in der Welt. Dadurch wird der göttliche Heilsplan schon im heute entfaltet, weil wir auf dem Weg sind. Lukas gibt uns in seinem Evangelium ein Erlösungsmodell, das auf die Undurchschaubarkeit des Lebens, auf unsere Unwissenheit und letztlich Sinnlosigkeit antwortet. Sinnlosigkeit ist die Unfähigkeit zu fühlen, zu leben und zu lieben. Jesus zeigt uns den Lebenssinn, so wie er mit Menschen umgeht, durch seine Gleichnisse und durch seine Ausstrahlung, seinen Weg. Jesus wird für uns zur Garantie, dass auch unser Leben gelingen kann, denn Jesu Weg ist durch den Tod und die Auferstehung durch Gott bestätigt.
Deshalb sagt der Herr dem Schriftgelehrten: "Dann geh und handle genau so". Weggehen von seinem Standpunkt und den Weg wagen. Aber auch nicht passiv warten, ob der Nächste mich anerkennt in meiner Bereitschaft zur Liebe oder mich als halbtoter aufliest. Gott ist der Retter!

Das einzige was für die Richtigkeit dieser Interpretation spricht, ist, dass innerhalb der involvierten Texte eines zum anderen passt und nichts übrig bleibt, was sich dieser Interpretation sperrend widersetzen würde.
Es droht die Gefahr alles aufgelöst zu haben und seinen Standpunkt erreicht. Wo nichts mehr übrig bleibt, geht die Spannung verloren, die uns auf den Weg vorangehen lässt.

Unser Nächster ist immer zuerst derjenige, der uns halbtoten Menschen mit seiner Barmherzigkeit am nächsten steht: Jesus in der Freude des Heiligen Geistes und der Vater. In diesem Geheimnis leben wir nicht als Fremde sondern als Nächste. So nahe ist uns das Reich Gottes, auch wenn uns dieses Geheimnis noch fremd erscheinen mag. Darin ist unser Erbe des ewigen Leben gegründet.
:thumbup:
Was ihr von anderen erwartet, das sollt auch ihr ihnen ebenso tun. (Lk 6:31;GB)
In dem Gott Mensch wurde durch Jesus im Hl. Geist, ist im jeden Nächsten Gott gegenwärtig und Jesus auch für ihn gestorben als Zeichen der Erlösung. Vernachlässigen wir nicht die Aufgabe uns als halbtot zu erkennen, um somit vom Herrn im Nächsten belebt werden zu können.
Barmherzigkeit. Was liest du? Was davon gibst du weiter?
Es ist eine Barmherzigkeit auf dem Weg, eines bereits erlösten, der Barmherzigkeit empfangen von Gott. Das "Auf dem Weg sein" mit dem Herrn verlässt Standpunkte. Lesen wird zum Auflesen am Weg, wie der Samariter. Jeder gibt weiter, was er an Liebe in sich antrifft, was er an Gottes Liebe in sich zulässt. Das ist keine Einbahnstraße. Und die Liebe muss auch jenem gelten, der mich als Nächsten nicht anerkennt. Doch war ich auch bereit zur Liebe?


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