Theodizee - revisited.

Rund um Bibel und Glaube
Pluto
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#21 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » So 15. Jan 2017, 08:31

Josi hat geschrieben:Was mir mehr zu denken gibt, ist das von Dir angegebene Motiv.
Worum geht es Dir demnach tatsächlich?
Als ich vor einigen Jahren mit dem Gedanken spielte, ein eigenes Forum zu eröffnen, suchte ih nach geeigneten Themen. Eine der letzten großen (philosophischen) Streitfragen betrifft die Religion. So entschloss ich mich dafür: Ein religiöses Forum sollte es werden. Da ich aber von anderen Foren wusste, dass ich es allein nicht schaffe, habe ich dann 2013 Magdalena 50% des Forums angeboten, wenn sie mitmacht; sie sagte zu, und hier sind wir nun... :mrgreen:

Das Besondere an unserem Forum sollte sein, dass die User sich hier frei von der üblichen Zensur, aussprechen können, ohne das dabei der Ton in persönliche abrutscht (ad hominem Angriffe wollen wir nicht). Ein weiteres (sehr ehrgeiziges) Ziel war: Wir wollten Brücken bauen; Befürworter und Gegner von Religion sollten sich näher kommen.
Letzteres Ziel steht zwar als Motto über dem Forum, aber ich denke, die Gedanken liegen so weit auseinander, dass das Ziel mir heute als fast utopisch erscheint. Die Vorstellungen der Teilnehmer liegen da viel zu weit auseinander.

Josi hat geschrieben:Etwa darum, sich Themen zu pflegen, die sich bestenfalls nur im Kreis drehen können?
Ich glaube nicht, dass wir uns im Kreis drehen, denn jeder neu hinzukommende User bringt seine ganz eigenen Ansichten und Meinungen mit, die er/sie in die Diskussion einbringt.
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#22 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » So 15. Jan 2017, 08:41

JackSparrow hat geschrieben:Da heutzutage viele Menschen ihr Gehirn hauptsächlich für religiöse oder philosophische Fragen zweckentfremden, scheint sich die Evolution wohl für Variante 2 entschieden zu haben.
Nicht ganz....
In der frühen Steinzeit vor 100'000 Jahren waren die Menschen mindestens so groß wie heute. Vor allem war das Verhältnis von Hirnvolumen zu Körpergewicht (ein Maß unter Vielen, für Intelligenz) damals höher als heute.

Wir sind im Laufe der Evolution also nicht nur kleiner, sondern ebenfalls dümmer geworden. Eigentlich hat sich unsere Bildung "verschoben". Wo früher mehr soziales Denken gefragt, ist unser heutiges Gehirn mehr auf die Lösung technischer Fragen optimiert. Das erkennt man an den steigenden IQ-Werten und am Flynn-Effekt.

Dass die Menschen heutzutage wieder größer werden (die Türen alter Häuser erscheinen uns klein), verdanken wir hauptsächlich der gesünderen und ausgwogeneren Ernährung der letzten 150-200 Jahre.
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Ska'ara
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#23 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Ska'ara » So 15. Jan 2017, 09:08

Pluto hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben:Alles, was der Mensch hatte, war Grundwissen ohne Mangel - also schafft er den Mangel, damit er notwendigerweise neugierig sein muss. Aber was ist daran besser?
Besser daran, ist die Fähigkeit Zivilisationen zu bauen.
Aber offenbar geht das nicht ohne die Nebeneffekte. 8-)
Wozu braucht ein Mensch, der zufrieden war, Zivilisation wie unsere? Alles was wir schaffen, sind Notlösungen, die immer wieder überarbeitet werden müssen.


JackSparrow hat geschrieben: Da heutzutage viele Menschen ihr Gehirn hauptsächlich für religiöse oder philosophische Fragen zweckentfremden, scheint sich die Evolution wohl für Variante 2 entschieden zu haben.
Viele Menschen überlassen Entscheidungen gerne anderen, weil das eigene Denken nicht gewollt ist und Nachteile erzeugt. Der Mensch "glaubt" also gern mal "jemandem"... dabei ist Religion nur eine Variante.

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#24 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » So 15. Jan 2017, 09:15

Ska'ara hat geschrieben:Wozu braucht ein Mensch, der zufrieden war, Zivilisation wie unsere? Alles was wir schaffen, sind Notlösungen, die immer wieder überarbeitet werden müssen.
Ich halte die Prämisse für falsch. Woher willst du wissen, dass der Mensch jemals zufrieden war?

Meine Vermutung, ist, der Mensch ist niemals zufrieden, sondern strebt immer nach mehr (Wissen, Status, Macht, Besitz, usw)
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#25 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Ska'ara » So 15. Jan 2017, 09:31

Pluto hat geschrieben:Woher willst du wissen, dass der Mensch jemals zufrieden war?

Meine Vermutung, ist, der Mensch ist niemals zufrieden, sondern strebt immer nach mehr (Wissen, Status, Macht, Besitz, usw)
Gier macht uns unzufrieden, und ich glaube, dass ein Verzicht auf vieles uns befreit.

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#26 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » So 15. Jan 2017, 10:33

Ska'ara hat geschrieben:Gier macht uns unzufrieden, und ich glaube, dass ein Verzicht auf vieles uns befreit.
Natürlich wäre das die Lösung... (Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.)
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#27 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von ThomasM » So 15. Jan 2017, 11:31

Zurück zum Thema

Ich würde gerne folgende Möglichkeit ins Spiel bringen.
Die Definition von Theodizee ist wie folgt:
Wikipedia hat geschrieben: Theodizee [teodiˈʦeː] heißt „Gerechtigkeit Gottes“ oder „Rechtfertigung Gottes“. Gemeint sind verschiedene Antwortversuche auf die Frage, wie das subjektive Leiden in der Welt vor dem Hintergrund zu erklären sei, dass ein (zumeist christlich aufgefasster) Gott einerseits allmächtig, andererseits gut sei. Konkret geht es um die Frage, warum ein Gott oder Christus das Leiden zulässt, wenn er doch die Omnipotenz („Allmacht“) und den Willen („Güte“) besitzen müsste, das Leiden zu verhindern.

Im Prinzip steht meine Antwort bereits in dieser Definition.
- Gott ist global, für jeden da. Allmächtig und gut.
- Leiden ist subjektiv und individuell

Gott kann nicht alles Leiden lindern, weil wenn er für Mensch A ein Leiden lindert, dadurch für Mensch B dasselbe Leiden nicht gelöst ist.
Aus dem Gegensatz global - individuell gibt es keinen Ausweg.
Oder auch anders ausgedrückt:
Würde ich eine Antwort für die Theodizee Frage formulieren, dann würdfe ich eine global geltende Antwort für Leiden formulieren, was aber nicht geht, weil Leiden und dessen Wahrnehmung individuell ist.
Eine globale Antwort kann niemals das gesamte Spektrum der individuellen Ansichten überdecken.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#28 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Sondre » So 15. Jan 2017, 19:42

Pluto hat geschrieben:Als ich vor einigen Jahren mit dem Gedanken spielte, ein eigenes Forum zu eröffnen, suchte ich nach geeigneten Themen. Eine der letzten großen (philosophischen) Streitfragen betrifft die Religion. So entschloss ich mich dafür: Ein religiöses Forum sollte es werden. Da ich aber von anderen Foren wusste, dass ich es allein nicht schaffe, habe ich dann 2013 Magdalena 50% des Forums angeboten, wenn sie mitmacht; sie sagte zu, und hier sind wir nun...

Das Besondere an unserem Forum sollte sein, dass die User sich hier frei von der üblichen Zensur, aussprechen können, ohne das dabei der Ton in persönliche abrutscht (ad hominem Angriffe wollen wir nicht). Ein weiteres (sehr ehrgeiziges) Ziel war: Wir wollten Brücken bauen; Befürworter und Gegner von Religion sollten sich näher kommen
.

Die Idee, die Mühen und Aufwendungen und das Engagement finde ich toll. Ich finde vor allem so super das ein Atheist und eine Christin ein Forum gemeinsam führen.

Obwohl ich hier ja absolut Neu bin (oder gerade deswegen?) schätze ich dies ungemein.

Ich sage einfach mal DANKE an Euch Zwei :Herz: !

LG

Sondre

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#29 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von Pluto » So 15. Jan 2017, 19:58

Sondre hat geschrieben:Die Idee, die Mühen und Aufwendungen und das Engagement finde ich toll. Ich finde vor allem so super das ein Atheist und eine Christin ein Forum gemeinsam führen.

Obwohl ich hier ja absolut Neu bin (oder gerade deswegen?) schätze ich dies ungemein.

Ich sage einfach mal DANKE an Euch Zwei :Herz: !
Danke für die Blumen, Sondre! :blumenstrauss:
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#30 Re: Theodizee - revisited.

Beitrag von SilverBullet » Mo 16. Jan 2017, 12:35

Bei der Theodizee-Frage darf man nicht vergessen, dass in keiner Weise geklärt ist, ob es sich nicht nur um ein Scheinproblem handelt.

Tatsache ist:
Das Wort „Gott“ entspringt der ungeklärten Frage aus dem Schöpfungsverdacht: „wer soll es gemacht haben?“.
Das Wort „Gott“ ist jedoch keine Antwort, sondern ein Hilfsmittel, um „die Suggestion einer Antwort“ zu unterstützen => Es soll eine Beziehung zum Unsichtbaren/Unerreichbaren/Unverstehbaren aufgebaut werden, was durch einen Namen sehr viel leichter fällt.
Da es keinen Kandidaten und keine Lösungsvorstellungen ausser Maximalübertreibungen gibt (All-, all-, all-), ist „Gott“ immer noch die Anfangsfrage.

Innerhalb des Suggestionsschauspiels „einer Beziehung ins Nirgendwo“ ergibt sich die Theodizee-Problematik: „wieso reagiert der Andere so komisch, warum hilft er nicht, warum plant er das alles?“

Betrachtet man das Ganze allerdings von Anfang an, dann stellt sich die Frage, wieso sollte ein intelligentes Wesen nicht einfach auf die Möglichkeit eines Verzichts „des Erschaffens der Welt“ kommen?
Unter Berücksichtigung der Maximalübertreibungen der „Gläubigen“ muss man das Erkennen dieser Möglichkeit unterstellen dürfen:
Durch ein Nicht-Erschaffen „der Welt“ gibt es kein Leid.

=> Die Theodizee-Problematik ist eine Sackgasse innerhalb einer (durch Suggestion hervorgerufenen) Wunschvorstellung.
=> Lässt man die Wunschvorstellung einfach weg, gibt es kein Theodizee-Problem mehr und damit zumindest „ein Problem“/“eine Fragestellung“ weniger.

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