Die Ereignisse von Getsemane

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sven23
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#11 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von sven23 » So 16. Apr 2017, 13:08

fin hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: ... die Freilassung eines Verbrechers am Sabbat gilt als unhistorisch.
Tatsächlich? :D
In der Tat ist Historikern kein derartiger Brauch bekannt. Es handelt sich ähnlich wie bei den Geburtslegenden um freie Erfindungen der unbekannten Schreiber.

fin hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nebenbei: die Bergpredigt gilt als weitgehend freie Erfindung des Evangelisten Matthäus.
Sagt wer?
Das ist breiter Konsens in der historischen Jesusforschung.

fin hat geschrieben:
Der Betrug der Hohenpriester: 28,11-15

11 Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. 12 Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld 13 und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. 14 Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. 15 Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.

Die Auferstehungslegenden stecken ebenfalls voller Widersprüche.

Am Anfang der nachösterlichen Gemeinde stand das Bekenntnis zur Auferstehung Jesu. Dieses
erscheint aber anfangs noch merkwürdig blass, es wird nur das bloße Dass seiner Auferstehung
verkündet. Vielleicht hatte es ursprünglich nur den Sinn, die Bedeutung dieses Jesus zu betonen, ohne
dass man konkrete Erscheinungsgeschichten verlangte. Trifft dies zu, dann ist es jedenfalls nicht so
geblieben. Spätere Gläubige verlangten handfeste Geschichten, und die Evangelisten lieferten sie, aus
uns unbekannten Traditionen oder aus eigener Feder. Dabei entstanden nicht nur kaum zu
harmonisierende Erzähltraditionen mit unterschiedlichen theologischen Ausrichtungen; es auch wurde
„vergessen“, eine Geschichte zu erfinden, in der Petrus und der Auferstandene die Hauptrolle
spielten, denn nach der paulinischen Formel in 1. Kor. 15 war Petrus ja der erste Auferstehungszeuge.
Aber die Evangelisten, von denen unklar ist, wo sie ihre Evangelien geschrieben haben, wussten
vielleicht gar nichts von der Tradition, die Paulus zitiert und die ihm offenbar so wichtig war.
Dafür wusste Paulus aber offenbar noch nichts von einem leeren Grab. Alle vier Evangelisten
berichten darüber, und jeder mit deutlichen Abweichungen.554 Ob es historisch ist, ist umstritten. Es
spricht einiges dafür, dass es überhaupt kein Grab Jesu gegeben hat, denn Hingerichtete wurden oft
bewusst nicht begraben, sondern Geiern und Hunden zum Fraß überlassen. Die Römer wollten damit
demonstrieren, was mit denen geschieht, die sich ihrer Herrschaft widersetzen. Und weiter setzt der
Glaube an die Auferstehung nicht unbedingt ein leeres Grab voraus. Denn es gibt viele Menschen, die
nach dem Tod von nahen Angehörigen meinen, der geliebte Verstorbene sei ihnen noch irgendwie
erschienen. Doch keiner würde annehmen, dass der Leichnam deshalb nicht mehr in seinem Grab sei.
Ein angebliches Grab Jesu wird in Jerusalem jedenfalls in den ersten zwei Jahrhunderten nicht
verehrt.

Kubitza, Der Dogmenwahn
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George Orwell

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sven23
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#12 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von sven23 » So 16. Apr 2017, 13:30

1Johannes4 hat geschrieben:Hallo sven23,

sven23 hat geschrieben: Das ist schon mal eine gute Erkenntnis, die sich mit den Ergebnissen der Forschung deckt. :thumbup:

gibt es andere Berichte von den in der Bibel beschriebenen Ereignissen? Wohl eher nicht.
Das stimmt, es gibt so gut wie nichts außerbiblisches über Jesus, was darauf hindeutet, dass er zu Lebzeiten ziemlich unbekannt und unbedeutend war. Vermutlich war er auch nicht schreibfaul, sondern einfach nur Analphabet.
Und was man sonst noch findet, hat sich als spätere christliche Fälschung erwiesen. (Testimonium Flavianum)
Erst die Auferstehungslegende durch Paulus hat das nach Jesu Tod geändert. Paulus wich von der Lehre Jesu ab und führte die Heidenmissionierung ein, was die Verbreitung über das Judentum hinaus ermöglichte. Denn zu Beginn war das Christentum nichts anders als eine jüdische Sekte.
Aber machen wir uns nichts vor. Ohne Kaiser Konstantin, der das Christentum zur Staatsreligion erhob, wäre es vermutlich als unbedeutenden Sekte wieder in der Versenkung verschwunden.



1Johannes4 hat geschrieben: Dann stellt sich aber die Frage, auf welcher Grundlage die biblischen Aussagen bestritten werden.
Grundlage sind immer die Texte und alles historische Wissen, das man aus dieser Zeit hat.

"Und außerdem kommt hinzu, dass die Auferstehung tatsächlich nicht so analogielos ist, wie die
Dogmatiker meinen.
„Vor Christus standen von den Toten auf der babylonische Tammuz ( treuer Sohn), dessen
Kult sich bis nach Jerusalem ausgebreitet hatte, der syrische Adonis (Herr), der phrygische
Attis, der ägyptische Osiris, der thrakische Dionysos u. a. Manche dieser Götter erduldeten
Leid oder Martern, einige starben am Kreuz; selbst Sühnecharakter besaß manchmal ihr
Tod.“557
Für die Kirchenväter in ihrer antiken Umgebung jedenfalls war Auferstehung nichts Neues. Sie
konnten für ihre Verkündigung der Auferstehung Jesu sogar daran anknüpfen. Doch die
Argumentationsrichtung hat sich seitdem umgedreht. Dass man auf antiken Märkten ausrufen konnte:
„Jungfrauengeburt, Wunder und Auferstehung: Seht her, unser Jesus hatte das auch“ – dies wirkt heute
eher als Gegenbeweis. Der Glaube an Jesus und an seine Auferstehung wird eingereiht in den antiken
Aberglauben. Und eben in diesen Kontext gehört er auch hinein. Bis sich diese Einsicht aber
allgemein durchgesetzt haben wird, werden noch Jahrhunderte vergehen. Auch der Glaube an Zeus, an
Baal, an Thor hat sich noch zäh gehalten, als die Religionsprozession längst schon einen Altar weiter
war. Jedem religiösen Glauben ist es bestimmt, einst zum Aberglauben zu werden. Und das stellt
keine Dekadenz dar, sondern ist ein Vorgang von Reifung."

Kubitza, Der Dogmenwahn

1Johannes4 hat geschrieben: Wenn man beispielsweise aufgrund anderer Berichte über übliche Vorgänge zur damaligen Zeit den biblischen Bericht bezweifelt, behauptet man doch nur implizit, dass alle hätten gleich ablaufen müssen.
Es muss nicht alles gleich ablaufen, aber es muss historisch plausibel sein. Deshalb arbeitet die Forschung auch heute weniger mit dem Differenzkriterium, als vielmehr mit dem historischen Plausibiltiätskriterium.

"Für die Rekonstruktion der Verkündigung Jesu sind im Laufe der Forschung methodische Kriterien entwickelt worden, deren wichtigste das Differenzkriterium (Unableitbarkeitskriterium) und das Kohärenzkriterium sind. Das Differenzkriterium besagt, dass solche Tradition Jesus zugesprochen werden kann, die sowohl gegenüber dem Frühjudentum als auch gegenüber dem Urchristentum Originalität besitzt. Das Kohärenzkriterium trägt dem Umstand Rechnung, dass Jesus nicht losgelöst von seiner Umwelt betrachtet werden kann. Mit seiner Hilfe werden alle die Traditionen ebenfalls Jesus zugeschrieben, für die es zwar Parallelen gibt, die aber in ihrer Tendenz der Verkündigung Jesu und seinem Geschick entsprechen.
Im Zuge der "third quest" wird gegen das Differenzkriterium als methodischer Grundlage der Jesusforschung das "historische Plausibilitätskriterium" betont: Historisch ist, was im Kontext des zeitgenössischen Judentums plausibel erscheint und die Entstehung des frühen Christentums verständlich macht. Man will auf diese Weise historische und theologische Einseitigkeiten der älteren Forschung vermeiden."

Quelle: bibelwissenschaft.de
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1Johannes4
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#13 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von 1Johannes4 » So 16. Apr 2017, 15:11

Hallo sven23,

bei den biblischen Berichten geht es aber nicht um "historische Plausibilität", sondern es sind Aussagen von Gläubigen für Gläubige. Im Prinzip könnte jedes Buch der Bibel mit der Einleitung: "Ich glaube, dass es einen Gott gibt, und habe folgendes über die Geschichte Gottes mit den Menschen zu erzählen." beginnen. Bei einem Maßstab wie "historischer Plausibilität" wird Gott außen vor gelassen - so wie bei den Naturwissenschaften auch. Wenn Gott sich nicht naturwissenschaftlich oder "historisch plausibel" verhält, wird es das Buch, das von IHM erzählt wohl auch nicht sein.

Letzten Endes kommt es immer darauf an, auf welcher Grundlage die verschiedenen Richtungen entscheiden, was der "Wahrheit" entspricht. Wenn man dafür allein die Naturwissenschaft wählt, kann natürlich niemand über das Wasser gehen oder von den Toten auferstehen. Wenn man "historische Plausibilität" als Maßstab nimmt, wohl auch nicht.

Da die Bibel ein Buch von Gläubigen für Gläubige ist, werden Gläubige damit keine Nichtgläubigen überzeugen können, aber auch Nichtgläubige anhand der Bibel auch keine Gläubigen vom Glauben abbringen können und im Dialog von Nichtgläubigen untereinander werden diese sich durch die ihrer Meinung nach falschen Inhalte der Bibel nur in ihrem Nichtglauben bestätigt fühlen. So ähnlich verhält es sich auch mit der Liebe. So wie Gott auch, ist sie weder naturwissenschaftlich beweisbar, noch historisch plausibel, aber dennoch gibt es mehr als genügend Leute, die deren Existenz behaupten. Und wenn man sie nicht kennenlernte, bleibt einem nichts anderes übrig als dergleichen als Illusion abzutun. Nur als ein Beispiel, dass manches auch wahr oder wirklich sein kann, wenn es nicht naturwissenschaftlich oder historisch plausibel verifiziert bzw. falsifiziert werden kann.

Grüße,
Daniel.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

R.F.
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#14 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von R.F. » So 16. Apr 2017, 15:49

fin hat geschrieben: - - -
Der Betrug der Hohenpriester: 28,11-15

11 Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. 12 Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld 13 und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. 14 Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. 15 Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.
Diese Verfahrensweise scheint bis heute Bestand zu haben, wobei man sich natürlich fragen könnte, wo und wie die eingekauften Handlanger und Schreiberlinge heute operieren? :wave:
- - -
Nun aber beim besten Willen nicht weiter auspacken, sonst ist für die meisten das Osterfest im Eimer. Wohlhabende und ihre Politiker haben leichtes Spiel, die können lügen, dass sich die Balken biegen. Und die Völker - bestehend weitgehend aus gebildeten Dummköpfen - schlafen weiter...

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#15 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von Pluto » So 16. Apr 2017, 15:54

R.F. hat geschrieben:
fin hat geschrieben: - - -
Der Betrug der Hohenpriester: 28,11-15

11 Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. 12 Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld 13 und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. 14 Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. 15 Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.
Diese Verfahrensweise scheint bis heute Bestand zu haben, wobei man sich natürlich fragen könnte, wo und wie die eingekauften Handlanger und Schreiberlinge heute operieren? :wave:
- - -
Nun aber beim besten Willen nicht weiter auspacken...
Recht hast du, Erwin.
Wir wollen dir schließlich nicht deine Exisenzvermutung nehmen... Und schon gar nicht an Ostern, gell?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#16 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von sven23 » So 16. Apr 2017, 15:58

1Johannes4 hat geschrieben:Hallo sven23,
bei den biblischen Berichten geht es aber nicht um "historische Plausibilität", sondern es sind Aussagen von Gläubigen für Gläubige.
Wenn wir von der historischen Jesusforschung sprechen, stimmt das so nicht. Denn hier hat man sich zur Aufgabe gemacht, etwas über den historischen Menschen Jesus zu erfahren, jenseits aller Legenden und Mythen, die man ihm übergestülpt hat. Die Methode dazu ist die historisch-kritische, weil man einen Unterschied zwischen der textlichen Überlieferung und dem historischen Jesus vermutet.
Ich denke, das ist ein legitimer Anspruch, egal ob man gläubig ist oder nicht.

"Die Evangelien wurden anonym überliefert. Die Namen der Evangelisten (Markus,
Matthäus, Lukas und Johannes) sind legendarisch, die Texte selber enthalten nirgendwo
einen Verfassernamen. Die entsprechenden Zuordnungen wurden erst gegen Ende des
zweiten Jahrhunderts gemacht, aus dem verständlichen Wunsch der Nachgeborenen
heraus, den anonym überlieferten Evangelien Namen und Verfasser zu geben. Die
neutestamentliche Forschung ist sich einig, dass kein einziges der Evangelien auf einen
Augenzeugen zurückgeht oder von einem direkten Jünger Jesu stammt, ja dass
vermutlich sogar alle außerhalb Palästinas entstanden sind. Was man über den
historischen Jesus weiß, muss man also mühsam aus Schriften rekonstruieren, die erst
40–80 Jahre nach seinem Tod aufgeschrieben wurden und die vor ihrer Verschriftlichung
eine lange mündliche Tradition hinter sich hatten. Frühere Quellen, wie zum Beispiel die
echten Briefe des Apostels Paulus, schweigen über den historischen Jesus. Spätere
apokryphe Evangelien, Briefe und Apostelgeschichten sind völlig von legenden- und
märchenhaften Zügen durchsetzt und für eine historische Rekonstruktion kaum zu
verwenden. Nichtchristliche Quellen gibt es nicht."

Kubitza, Der Jesuswahn


1Johannes4 hat geschrieben: Da die Bibel ein Buch von Gläubigen für Gläubige ist, ....
Da wiederum kann ich dir zustimmen und das deckt sich auch mit der Forschungslage. Die Evangelien erheben keinen Anspruch auf historische Wahrheit, sondern sind Glaubensschriften für den Gemeindegebrauch.

"Doch schon der Vergleich der Evangelien hat für die Forschung deutlich gemacht, dass es die
Evangelisten mit der Wahrheit nicht ganz so genau nahmen. Denn es gibt in den synoptischen
Evangelien Hunderte von Stellen, wo die Evangelisten mit oft klarer Absicht Worte Jesu in anderen
Kontext stellen, weglassen oder an vielen Stellen sogar hinzuerfinden. Das Johannesevangelium gilt
fast vollständig als eine Erfindung des Evangelisten. Die Evangelisten waren keine Historiker, sie
wollten von vornherein keine Biographie schreiben, sondern sie waren Exponenten der Gemeinden,
für die sie schrieben. Sie waren selbst gläubig und wollten Glauben wecken, und sie taten dies u. a.
auch dadurch, dass sie Worte und Taten Jesu einfach hinzuerfanden. Der Zweck heiligte für sie die
Mittel. Weil dieser Umstand heute ein Allgemeinplatz in der neutestamentlichen Forschung ist,
sprechen Theologen in ihren Kommentaren schon lange nicht mehr von der Wahrheitsliebe der
Verfasser, sondern von deren Glauben."


Um so unverständlicher ist es, wenn die Kirche trotz aller Forschungsergebnisse immer noch auf der Historizität besteht und ihr Dogmenkorsett nicht aufgeben will.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

R.F.
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#17 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von R.F. » So 16. Apr 2017, 16:02

1Johannes4 hat geschrieben: - - -
bei den biblischen Berichten geht es aber nicht um "historische Plausibilität", sondern es sind Aussagen von Gläubigen für Gläubige. Im Prinzip könnte jedes Buch der Bibel mit der Einleitung: "Ich glaube, dass es einen Gott gibt, und habe folgendes über die Geschichte Gottes mit den Menschen zu erzählen." beginnen. Bei einem Maßstab wie "historischer Plausibilität" wird Gott außen vor gelassen - so wie bei den Naturwissenschaften auch. Wenn Gott sich nicht naturwissenschaftlich oder "historisch plausibel" verhält, wird es das Buch, das von IHM erzählt wohl auch nicht sein.
- - -
Was Du da schreibst ist das unter "Aufgeklärten" Übliche. Damit macht man Hunderte Millionen Menschen, die während den vergangenen zweitausend Jahren den Dokumenten vertrauten, zu Dummköpfen. Und wir sind deren Abkömmlinge...

Selbstverständlich halten die Berichte über die Vorgänge von Jesu Tod juristischen Prüfungen stand. Etwas tiefer einsteigen in die Texte muss man dazu allerdings schon...

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Halman
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#18 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von Halman » So 16. Apr 2017, 16:28

Agent Scullie hat geschrieben:Hallo zusammen,

Bei der Festnahme Jesu in Getsemane habe ich eigentlich immer schon zwei Dinge nicht verstanden:

1) Judas verrät Jesus ja dadurch, dass er vor den Augen der Männer des Hohepriesters Jesus küsst, um ihnen zu zeigen, dass er der ist, den sie festnehmen müssen. Aber warum muss Judas ihnen erst zeigen, wenn sie festnehmen müssen? Jesus war doch zu diesem Zeitpunkt bereits stadtbekannt, da hätten ihn die Männer des Hohepriesters doch auch ganz ohne Judas Hilfe erkennen können müssen? Zumindest dem Hohepriester selbst war Jesus doch wohlbekannt, und der hätte seine Männer ja einfach begleiten können, um sicherzugehen, dass sie den richtigen erwischen.
Ja, das hätten sie in der Tat tun können. Offenbar kannten die Männer, die Judas Iskariot begleiten, Jesus von Nazareth nicht.
Ein wenig Aufschluss vermittelt Joh 18:3:
3 Als nun Judas die Schar² und von den Hohenpriestern und Pharisäern Diener genommen hatte, kommt er dahin mit Leuchten und Fackeln und Waffen.
²Gemeint ist "Kohorte", eine militärische Einheit der Römer von etwa 600 Mann unter dem Befehl eines Obersten

Gem. obiger Fussnote der Elberfelder Übersetzung und dem Buch Szenen der Bibel wurde Judas von einer "Kohorte" begleitet. Ganze 600 Mann waren es vermutlich nicht, eher eine gemischte Gruppe von Knechten der Hohenpriester und Pharisäern, Soldaten der Tempelwache und eine Gruppe römischer Soldaten. Im hier verlinkten Buch wird erklärt:
...; aber da eine Kohorte etwa unserem Bataillon (500 Mann) entsprach, wird es sich eher um eine Truppe von Besatzungsgruppen mit einem höhreren Offizier gehandelt haben. Der Hohe Rat der Juden schätzt Jesus als sehr gefährlich ein. Daher schickt er nicht allein Männer der Tempelwache (also Diener der Hohenpriester), nicht nur Diener der Phariäser (...), sondern holt sich zusätzlich noch Unterstützung von der römischen Behörde.
Die Priester und Phariäser wollten sich wohl nicht in Gefahr begeben und schickten deshalb ihre Diener und Soldaten vor, die wohl nicht wussten wie Jesus aussah.
Der Hauptgrund, warum Judas für sie als Insider so wichtig war, war allerdings ein anderer Umstand: Judas wusste, wo sich Jesus seiner Gewohnheit gemäß mit den Jüngern versammelte, wo man ihn, ohne dass er von Volksmengen umgeben war, heimlich erwischen konnte. In welchem Versteckt verbarg sich dieser Galiläer? In welchem Haus? Judas kannte denn Ort. Joh 18:2 erzählt:
2 Aber auch Judas, der ihn überlieferte, wusste den Ort, weil Jesus dort oft mit seinen Jüngern zusammen war.

Agent Scullie hat geschrieben:2) Einer der Apostel zieht sein Schwert und schlägt damit einem der Männer des Hohepriesters ein Ohr ab. Wieso besitzt denn ein Apostel ein Schwert? Seit wann sind die Apostel bewaffnet?
fin war schon so freundlich die relevanten Bibelstellen aus dem Lukasevangelium zu zitieren. Gem. Luk 22:35-38 sagte Jesus zu seinen Jüngern:
35 Und er sprach zu ihnen: Als ich euch ohne Börse und Tasche und Sandalen sandte, mangelte euch wohl etwas? Sie aber sagten: Nichts. 36 Er sprach nun zu ihnen: Aber jetzt, wer eine Börse hat, der nehme sie und ebenso eine Tasche, und wer nicht hat³, verkaufe sein Gewand und kaufe ein Schwert; 37 denn ich sage euch, dass noch dieses, was geschrieben steht, an mir erfüllt werden muss: "Und er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden"; denn auch das, was mich betrifft, hat eine Vollendung. 38 Sie aber sprachen: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.
³d. h. entweder: wer keine Börse oder Tasche hat; oder: wer kein Schwert hat

Damals gab es Raubtiere in Israel und natürlich auch Straßenräuber. Jesus wollte sichergehen, dass seine Jünger nach seiner Kreuzigung nicht wehrlos waren und sie auf die kommenen, schweren Jahre vorbereiten, in denen sie ja ohne ihn zurechtkommen mussten.
Der Exeget K. Berger erklärt:
Zitat von Klaus Berger aus "Die Bibelfälscher":
Jesus ... gestattet seinen Jüngern, sich gegen Personen (Straßenräuber) zu verteidigen.
Aus diesen Grund führten die Jünger zwei Schwerter mit sich und Petrus war wohl der Meinung, dass der rechte Moment gekommen sei, es einzusetzen.
Die Vorstellung, dass seine elf Jünger mit zwei Schwertern für Jesus Krieg führen und gegen Soldaten kämpfen, war natürlich völlig abwegig. Es ging nur darum, sich gegen wilde Tiere und Räuber wehren zu können. Daher sagte Jesus zu Petrus:
Zita aus Mat 26:52:
... Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort! Denn alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Rembremerding
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#19 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von Rembremerding » So 16. Apr 2017, 16:49

Es war ja die Zeit des Pesach, viele Wallfahrer waren in Jerusalem zugegen. Die Episode von Simon von Zyrene verrät es uns. Denn als Jude aus der römischen Provinz Cyrenaikaum im heutigen Libyen dürfte es sich bei Simon nicht um einen normalen Ackerbauern gehandelt haben, obwohl er um die Mittagszeit „vom Feld“ kam. Diese Anmerkung im Evangelium bezieht sich darauf, dass während des Pesachfestes eine gewaltige Menschenmenge nach Jerusalem strömte und die Stadt diese Massen nicht fassen konnte. Die Pilger waren aber verpflichtet in der Stadt zu übernachten, weshalb man ihre Grenzen soweit ausweitete, dass die umliegenden Dörfer mit eingeschlossen wurden (Mischna Menachot 7.3; 11.2). Auch Jesus und seine Jünger waren während des Pesach in Betanien einquartiert (Mt 21:17). So wird Simon gerade von seiner auswärtigen Unterkunft „im Feld“ in die Stadt gewandert sein, um noch einige Besorgungen für das Fest zu tätigen und den Tempel zu besuchen, als er auf den Herrn traf.

Als Jesus mit seinen Jüngern in Getsemane eintraf, war es zum einen dunkel, zum anderen werden in der Nähe auch andere Pilger genächtigt haben. Zwischen den vielen kleinen Gruppen in der Dunkelheit gerade Jesus zu finden, selbst wenn man ihn gekannt hätte, wäre sehr schwierig gewesen. Da war es nötig, dass ein "Insider" wie Judas mit einbezogen wurde, der genau wusste, wo sich Jesus immer aufhielt.
Der Herr wich seiner Kreuzigung aus Liebe zu uns Menschen nicht aus, er ging dorthin, wo Judas ihn finden würde.
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fin
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#20 Re: Die Ereignisse von Getsemane

Beitrag von fin » So 16. Apr 2017, 16:58

sven23 hat geschrieben:
fin hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: ... die Freilassung eines Verbrechers am Sabbat gilt als unhistorisch.
Tatsächlich? :D
In der Tat ist Historikern kein derartiger Brauch bekannt. Es handelt sich ähnlich wie bei den Geburtslegenden um freie Erfindungen der unbekannten Schreiber.

Du scheinst von römischer Rechtsprechung keine Ahnung zu haben oder war Pontius Pilatus an das mosaische Gesetz gebunden? Das NT schildert klar und deutlich, wer die Ankläger und Strippenzieher waren. Daß sich die jüdische Lobby und deren Zuträger gegen Matthäus aussprechen, das wundert nicht, denn er deckt ja ihre Vorgehensweisen auf - zur Erinnernung.

fin hat geschrieben:
Der Betrug der Hohenpriester: 28,11-15

11 Noch während die Frauen unterwegs waren, kamen einige von den Wächtern in die Stadt und berichteten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. 12 Diese fassten gemeinsam mit den Ältesten den Beschluss, die Soldaten zu bestechen. Sie gaben ihnen viel Geld 13 und sagten: Erzählt den Leuten: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, während wir schliefen. 14 Falls der Statthalter davon hört, werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. 15 Die Soldaten nahmen das Geld und machten alles so, wie man es ihnen gesagt hatte. So kommt es, dass dieses Gerücht bei den Juden bis heute verbreitet ist.

Diese Verfahrensweise scheint bis heute Bestand zu haben, wobei man sich natürlich fragen könnte, wo und wie die eingekauften Handlanger und Schreiberlinge heute operieren?

Die letzte Frage beantwortet sich eigentlich von selbst, laut NT versteckt sich der Wolf im Schafpelz und laut Orwell erscheint er als Bruder Doppelsprech.

Sven23 scheint mir hier der Fachmann zu sein :mrgreen:

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