Parusieverzögerung II

Themen des Neuen Testaments
Anton B.
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#551 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Anton B. » Mo 25. Mai 2015, 20:24

Savonlinna hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Soweit ich es verstehe ist die "historisch-kritische Methode" eine Methode, mittels derer Texte erschlossen werden. Der "historische" Jesus ist das Bild Jesus, welches sich unter der Anwendung der Methode ergibt.
Die Methode ist sicher für viele Untersuchungsfelder anwendbar.
Aber wenn Texte untersucht werden, dann werden Texte untersucht und keine historischen Personen.
Ich bleibe dabei: Der "historische" Jesus ist das Bild Jesus, welches sich unter der Anwendung der Methode ergibt. Und die Methode ist nicht ausschließlich auf den Text-zentriert, sondern setzt den Text auch in den Kontext dessen, was wir sonst noch wissen.

Savonlinna hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Da es eine "wissenschaftliche" Methode ist, ist das Ergebnis, also der "historische Jesus" allgemein wissenschafts-konsistent.
Nein. Das ist ausgeschlossen. Hast Du Dich schon einmal mit geisteswissenschaftlicher Methodik auseinandergesetzt?
Die wissenschaftliche Methode innerhalb der Textforschung besteht ja gerade darin, die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Das kann sie ja auch. Trotzdem lässt sich zu einem Konsens gelangen. Der "historische Jesus" wird kohärent mit den Aussagen anderer Wissenschaften rekonstruiert. Ein "übernatürlicher Jesus" war und ist kein Ergebnis einer Rekonstruktion als "historischer Jesus".

Savonlinna hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Das Bild ist kohärent mit den Anforderungen auch der anderen Wissenschaften, zum Beispiel der Naturwissenschaften.
Eben gerade nicht. Wir haben hier übrigens einen Thread zu dem Unterschied zwischen der Methodik der Naturwissenschaften und der Geisteswissenschaften.
Selbst eine historische Person, über die es viele Dokumente gibt, die auch viele Personen erlebt haben, kann nie eindeutig rekonstruiert werden.
Dazu braucht man sich nur die zahllose Sekundärliteratur zu der Person Hitler oder der Person Goethe anzusehen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wieviele unterschiedliche Sichtweisen es gibt.
Trotzdem besteht in Aspekten dieser Personen ein Konsens in den Geschichtswissenschaften. Das findest Du dann z.B. in der Wikipedia, in Schulbüchern usw. dargestellt.

Savonlinna hat geschrieben:Und dann zu einer Person, von der es nicht EINEN eindeutig aufgewiesenen Zeitzeugen gibt!
Wissenschaftlich völlig irrelevant.

Savonlinna hat geschrieben:Nach Deinem Zitat steht noch Folgendes.
Fachbereich Evangelische Theologie hat geschrieben:Durch Lektüre von Sekundärliteratur werden verschiedene forschungsgeschichtliche Ansätze bekannt gemacht und auf der Grundlage eigener exegetischer Arbeit diskutiert werden.
Das wurde hier im Thread ständig abgestritten, dass es verschiedene Forschungsansätze gibt, was eben undenkbar ist in der Wissenschaft.
Wo ist das Problem? Es ist trivial, dass es -- wie in jeder Wissenschaftsdisziplin -- verschiedene Forschungsansätze gibt. In der Geologie bringe ich auch ganz verschiedenenartige Methoden zur Betrachtung ein und derselben Sache in Anwendung. Und wenn ich nur irgend kann, erfinde ich noch eine neue Methode dazu. Alle diese Methoden zeichnen ein jeweils eigentümliches Bild des Forschungsgegenstandes. Dann gibt es noch die Leute, die das System jede dieser Methoden verstanden haben, und eine Synthese, wie tief sie auch immer geht, erarbeiten. Möglicherweise bildet sich dann innerhalb der Forschergemeinde (natürlich vollständig im wissenschaftlichen Rahmen bleibend), ein Konsens aus. So funktioniert das.

Dein Missverständnis könnte aus Deiner Interpretation der historischen Wissenschaften als autonom gegenüber den Naturwissenschaften resultieren. Die historischen Wissenschaften sind aber schon deshalb nicht autonom, weil das "wissenschaftliche Prinzip" auch das Kohärenzprinzip gegenüber anderem Wissen verlangt.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Savonlinna
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#552 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Mo 25. Mai 2015, 20:29

Andreas hat geschrieben:[...]
Andreas - freu mich, dass Du wieder mal da bist. :D

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Savonlinna
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#553 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Mo 25. Mai 2015, 20:54

Zeus hat geschrieben:
Im Ganzen bleiben die Aussagen allerdings in der Schwebe
Somit widerspricht Herr Bottrich der Aussage Müneks nicht.
Was bleibt in der Schwebe? Lies genau!
Du hättest besser den Kontext mitzitieren sollen:

Böttrich hat geschrieben: Dabei rückt das Kommen Gottes jedoch in ein völlig neues Licht. Aus der „Nähe Gottes“, von der auch die Apokalyptiker schon ausgingen, wird nun im Auftreten Jesu „Gegenwart“: Die Gottesherrschaft ist „mitten unter euch“ (ἐντὸς ὑμῶν entos hymōn) (Lk 17,21). Im Ganzen bleiben die Aussagen allerdings in der Schwebe: Die Grenzen zwischen Zukünftigkeit, andrängender Nähe und unmittelbare Gegenwart der Gottesherrschaft sind fließend und lassen sich am besten in der Formel von „schon und noch nicht“ erfassen. Doch der Hauptakzent ist dabei deutlich auf das „schon“ gerückt. Das entscheidende Heilsereignis ist mit → Tod und → Auferweckung Jesu bereits erfolgt. Von diesem neuen Gravitationszentrum aus erhalten auch alle anderen Motive ihr neues, „christliches“ Profil.
http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex ... 826f38/#h2

Salome23
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#554 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Salome23 » Mo 25. Mai 2015, 20:55

Savonlinna hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:[...]
Andreas - freu mich, dass Du wieder mal da bist. :D
Ja-er sollte viel öfter hier posten :thumbup:

closs
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#555 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Mo 25. Mai 2015, 21:00

sven23 hat geschrieben:Trotzdem muß man bemüht sein, die Standards einzuhalten.
Daran liegt es meines Erachtens nicht - daran werden sich Historisch-Kritische wie Eschatologen halten.

sven23 hat geschrieben:Nein, das ist wissenschaftlicher Konsens:
"Es ist die selbstverständliche Grundlage kritischer Wissenschaft, dass sie sich nicht über ihre Ergebnisse definiert"
Du verstehst nicht: Selbstverständlich ist das Ergebnis offen, nachdem die Perspektive definiert wird. - Konkret: Wenn 5 x in der Bibel stünde "Liebe Jünger, Ihr kapiert nicht, was ich meine und werdet deshalb Missdeutungen produzieren", dann könnte und würde sich dem kein Forscher entziehen. - Wenn dasselbe weniger deutlich drin steht, ist es eine reine Gewichtungs- und Interpretations-Frage - das ist erlaubt.

sven23 hat geschrieben:Vielleicht hattest du eine unterbewußte Kubitza-Erwartung?
In diesem Fall sollte ich meinen Psychiater wechseln. - Aber ernsthaft: Da war ein knallhartes Zitat drin - ob es Kubitza oder Deschner war, weiss ich nicht mehr.

sven23 hat geschrieben:Das Gegenteil ist nur unter Vergewaltigung aller Zusammenhänge zu bewerkstelligen.
Wirklich nicht. - Mir scheint es gerade an Interesse an Zusammenhängen zu fehlen.

Mich würde ernsthaft interessieren, wie Kubitza mit diesem Motiv ("Sie verstanden ihn nicht") umgeht und wie er es verarbeitet. - Und damit kommen wir an die Grenzen des Forums, weil wir hier keine theologischen Insider und umfängliche Sekundärliteratur-Kenner haben.

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#556 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Andreas » Mo 25. Mai 2015, 22:47

Savonlinna hat geschrieben:Andreas - freu mich, dass Du wieder mal da bist. :D
Ich war nicht weg.
Liebe Grüße aus dem Untergrund. ;)

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#557 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Mo 25. Mai 2015, 22:59

@ Liebe Savonlinna

Bitteschön:

Karl Rahner: "Heilsgeschichtliche Herkunft der Kirche von Tod und Auferstehung Jesu".
In: Rahner, Karl: "Schriften zur Theologie", Band XIV. Zürich, Einsiedeln, Köln 1980, S.78.

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#558 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Mo 25. Mai 2015, 23:06

Münek hat geschrieben:@ Liebe Savonlinna

Bitteschön:

Karl Rahner: "Heilsgeschichtliche Herkunft der Kirche von Tod und Auferstehung Jesu".
In: Rahner, Karl: "Schriften zur Theologie", Band XIV. Zürich, Einsiedeln, Köln 1980, S.78.

Vielen Dank für die Mühe!

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#559 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Mo 25. Mai 2015, 23:34

closs hat geschrieben: Liebe Münek, geh davon aus, dass diese spezifische Sicht nicht dominant ist in den Theologien - es ist das Ergebnis einer Theologie-Sparte. - INNERHALB dieser Sparte mag man sich mehr oder weniger einig sein - Ratzinger wird sinngemäß zitiert, wer auf eine Naherwartung Jesus komme, hat die Bibel nicht verstanden. - Müssen wir nicht diskutieren - aber so zu tun, als sei diese (Deine) Aussage State of the Art der Bibel-Forschung, ist irreführend.

Nun lass doch mal die Dogmatiker (Ratzinger, Barth) weg. Diese sind ausschließlich den Glaubenslehren ihrer Kirchen verpflichtet.

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#560 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Pluto » Mo 25. Mai 2015, 23:45

closs hat geschrieben:Selbstverständlich ist das Ergebnis offen, nachdem die Perspektive definiert wird.
Ergebnisoffen zu forschen ist nu möglich wenn die Ausgangsperspektive neutral ist. Das ist Voraussetzung.

closs hat geschrieben:Konkret: Wenn 5 x in der Bibel stünde "Liebe Jünger, Ihr kapiert nicht, was ich meine und werdet deshalb Missdeutungen produzieren", dann könnte und würde sich dem kein Forscher entziehen. - Wenn dasselbe weniger deutlich drin steht, ist es eine reine Gewichtungs- und Interpretations-Frage - das ist erlaubt.
Jede historisch-kritische Untersuchung wird unter Vorbehalt veröffentlicht, und basiert auf Wahrscheinlichkeiten. Betrachtet man nun diese Wahrscheinlichkeiten, dürfte der Ausgang (pro Parusieverzögerung) recht klar ausfallen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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